Der Schweizer im 1MDB-Skandal: Geldgier macht gute Whistleblower

Nr. 51 –

Der Genfer, der einen der grössten Korruptionsskandale der letzten Jahre ins Rollen brachte, ist soeben freigelassen worden. Mit seinen Aussagen wird der malaysische Premierminister Najib Razak weiter unter Druck geraten.

Am Mittwoch ist der Schweizer Whistleblower Xavier Justo in Genf eingetroffen. Der 49-jährige Sohn einer einfachen, aus Spanien stammenden Genfer Migrantenfamilie ist der potenziell wichtigste Zeuge in einem der grössten internationalen Korruptionsskandale der letzten Jahre: Es geht um den staatlichen malaysischen Investitionsfonds 1MDB. Malaysias Premier Najib Razak gründete den Fonds 2009, um angeblich die Armut in seinem Land zu bekämpfen – doch dem Premier und seinem Umfeld diente der Fonds vor allem als Geldmaschine. Mindestens dreieinhalb Milliarden US-Dollar wurden zweckentfremdet, unterschlagen oder auch schlicht und simpel gestohlen.

Daten zu verkaufen gesucht

Seit Juni 2015 sass Xavier Justo in Thailand im Gefängnis. Der Mann, der Najib Razak politisch das Genick brechen könnte, ist aber alles andere als ein Held mit weisser Weste. Als aufstrebender Banker umgab sich Justo in teuren Genfer Nachtclubs mit betuchten saudi-arabischen Freunden. Diese machten ihn 2010 zum Geschäftsleiter der neu gegründeten Ölfirma Petro Saudi. Dank guter Beziehungen zu Najib Razak flossen beträchtliche Summen aus dem 1MDB-Fonds zu Petro Saudi – wurden jedoch über Bankkonten in aller Welt sogleich wieder ins Umfeld von Premierminister Najib zurückgeschleust.

Bald zerstritt sich Justo mit seinen Freunden und zog sich in einen luxuriösen Wohnsitz auf der thailändischen Ferieninsel Ko Samui zurück. Er war wütend: Statt der versprochenen sechseinhalb Millionen US-Dollar Abgangsentschädigung hatte er nur vier Millionen bekommen. Offenbar aus Zorn über diesen Wortbruch kopierte Justo vor dem Abgang grosse Mengen von Daten von den Servern der Firma Petro Saudi.

Ob er wirklich versuchte, Petro Saudi mit den gestohlenen Daten zu erpressen, ist unklar: Laut eigenen Angaben stand Justo unter Druck, als er in Untersuchungshaft dieses Geständnis ablegte. Unbestritten ist hingegen, dass er Anfang 2015 Daten von Petro Saudi an mehrere Medien verkaufte – darunter 227 000 E-Mails, in denen es auch um Finanztransfers von und zu 1MDB ging. So wollte Justo seine Abgangsentschädigung doch noch aufstocken.

Ende Februar 2015 veröffentlichte «Sarawak Report», eine Website, die sich dem Kampf gegen Korruption sowie dem Umwelt- und Minderheitenschutz im malaysischen Teilstaat Sarawak verschrieben hat, erste auf Justos Dokumente gestützte Recherchen zu den Missständen bei 1MDB. Das schlug in Malaysia wie eine Bombe ein.

In den USA und in den Finanzdrehscheiben Schweiz und Singapur begannen Ermittlungen. Aber Justo erging es nicht gut: Im Juni 2015 wurde er verhaftet und knapp zwei Monate nach dem erwähnten Geständnis wegen Erpressungsversuch zu drei Jahren Gefängnis verurteilt.

Begnadigt

Nun hat Thailands neuer König Rama X. anlässlich seiner Inthronisierung 30 000 Gefangene begnadigt und freigelassen, darunter auch Justo. Am Dienstag wurde dieser von schwer bewaffneten Polizisten zum Flughafen eskortiert.

Die Staatsanwaltschaften der USA, der Schweiz und weiterer Staaten sind sehr interessiert am Whistleblower. Der Bruno-Manser-Fonds, der sich seit etlichen Jahren für Umwelt und Minderheiten in Malaysia engagiert, befürchtete deshalb Schlimmes. In einem Brief an Bundesrat Didier Burkhalter verwies der Fonds auf Informationen von «Sarawak Report», nach denen «malaysische Offizielle eine verdeckte Operation gegen Justo planen, um mögliche Aussagen des Whistleblowers gegen Premier Najib Razak zu unterbinden». Diese Gefahr scheint vorerst gebannt.

Wie Justo via Anwalt mitteilen liess, wird er sich den Behörden in der Schweiz und in den USA für Auskünfte zur Verfügung stellen.