Medienstudie TA-Swiss: «Lieber gut unterhalten als politisch informiert»

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Ein neuer Bericht zu den Folgen des Medienwandels kritisiert den oberflächlichen Medienkonsum der jungen Internetgeneration. Zu Unrecht.

Jugendliche in der Schweiz müssen dieser Tage eine geballte Ladung an Kritik an ihrem Medienverhalten über sich ergehen lassen. Ihnen wird vorgeworfen, illegal Pornografie zu verbreiten und andere im Klassenchat zu mobben. Und jetzt steht auch noch ihr Medienkonsum am Pranger: «Lieber gut unterhalten als politisch informiert» – so resümiert das Zentrum für Technologiefolgen-Abschätzung TA-Swiss in seinem am Montag publizierten Bericht «Medien und Meinungsmacht». Im Fokus der Studie stehen zwar die Digitalisierung der Medienlandschaft und ihre Folgen, doch ruht dabei ein spezielles Augenmerk auf der jungen Generation der 16- bis 25-Jährigen. Denn diese hat den Medienwandel bereits vollzogen: Das Internet ist ihr Leitmedium.

Schwindende Auflagenzahlen von Printmedien, massive Einbrüche bei den Werbeeinnahmen und die Tatsache, dass nur mehr drei Verlagshäuser über achtzig Prozent des Schweizer Medienmarktes kontrollieren, verleiten die StudienautorInnen zu düsteren Prognosen. Sie sehen nichts weniger als die Demokratie in Gefahr. Internet, «Pendlerzeitungen und boulevardeske Onlineportale» drängten unabhängige Medien, die nicht nur über das politische, wirtschaftliche und kulturelle Geschehen berichten, sondern es auch gewichten und einordnen, zunehmend an den Rand. «Die Berichterstattung ist häufig episodischer Natur. Eine Einordnungsleistung, die eine Interpretation komplexer Sachverhalte vornimmt, fehlt oft.»

Die AutorInnen monieren weiter, dass im Netz nicht journalistische, sondern kommerzielle Interessen bestimmen, weil die Spielregeln von globalen Plattformen gemacht werden, die mit undurchschaubaren Selektionsmechanismen operieren. «Facebook und Google übernehmen zunehmend die Distribution und Auswahl von Nachrichten.» Den BürgerInnen falle es so zunehmend schwer, die Relevanz und Qualität der Berichterstattung einzuordnen.

Unmündige Jugend?

Als Paradebeispiel muss die junge Generation herhalten. Ihre Mediennutzung nehme künftige Trends vorweg, sind die AutorInnen überzeugt. Praktisch alle (98 Prozent) nutzen zur Informationsbeschaffung das Internet und tauschen sich dort über Whatsapp, Facebook und andere soziale Medien darüber aus. Sie tun das primär unterwegs und meist via Smartphone. Daneben spielen Gratiszeitungen eine wichtige Rolle, vor allem, wenn es um politische und gesellschaftliche Themen geht: Drei von vier nutzen diesen Infokanal («20 Minuten» gehört zu den zehn beliebtesten Apps der Schweizer Jugend), immerhin drei von fünf Jungen informieren sich über Newsportale von Zeitungen. Bezahlte Zeitungen auf Papier hingegen nimmt nicht mal mehr jedeR Fünfte in die Hand.

Die Studie geht mit den 16- bis 25-Jährigen aufgrund ihres Medienverhaltens, das in verschiedenen Tabellen mit demjenigen der Gesamtbevölkerung verglichen wird, hart ins Gericht. Unter anderem wirft sie ihnen ein «nur unterdurchschnittliches Interesse» an politischen Themen und Hintergrundberichten vor und behauptet süffisant, «dass die junge Zielgruppe häufiger Meinungen zu politischen Themen austauscht, als sich über politische Themen zu informieren». Da passt wunderbar ins Stereotyp, dass sich die Jungen viel eher von Konsum- und Unterhaltungsthemen wie IT-Trends, Autos, Mode, Kosmetik, Körperpflege oder Promigeschichten begeistern lassen. Oder dass sich die durchschnittliche Verweildauer auf Newsportalen via Smartphone im Schnitt zwischen 54 und 87 Sekunden bewegt, wie Untersuchungen aus Deutschland zeigen. «Für eine vertiefende Information dürfte diese nicht ausreichen», merken die AutorInnen an. Sie zweifeln abschliessend, «ob das Medienrepertoire der 16- bis 25-Jährigen genügend Hintergrundinformationen für die Beurteilung gesellschaftlicher Probleme mit sich bringt».

Mehr Vertrauen in die Jungen!

Eine der dringlichsten Empfehlungen der Studie lautet deshalb, die Medienkompetenz, also den reflektierten Umgang mit klassischen wie digitalen Medien, zu fördern – vor allem in der Schule, aber auch über Service-public-Anbieter wie die SRG. Im Gegenzug rufen die AutorInnen nach einem «Infrastrukturprogramm für Journalismus», nach öffentlichen Geldern für Medien, «die bereit sind, in ihre Redaktionen zu investieren». Weitere Empfehlungen wie die «Governance von Algorithmen» von Onlineplattformen verstärken den alarmistischen Grundton der Studie. Steht es tatsächlich so schlecht um unsere Demokratiefähigkeit?

Verlässt man die breiten Trendpfade, finden sich im Bericht durchaus ermunternde Abzweigungen, die in eine andere Richtung weisen – gerade im Fall der Jugend. Sie interessiert sich nämlich auch stark für Aus- und Weiterbildungsthemen. Und ist es nicht primär erfreulich, dass sieben von zehn jungen Erwachsenen täglich Nachrichten lesen und vier von zehn dies sogar mehrmals täglich tun? Verfrüht ist auch der Schwanengesang auf unabhängig-kritische Printmedien. Zumindest, solange eine Zeitung wie die WOZ laut den Zahlen der Medienforschungsorganisation Wemf vom letzten November ihre anteilmässig grösste LeserInnenschaft unter den 20- bis 24-Jährigen hat und bei ebendieser Altersgruppe auf das vergleichsweise grösste Interesse stösst.

Manuel Puppis, Michael Schenk und Brigitte Hofstetter: «Medien und Meinungsmacht». Hrsg. von TA-Swiss. vdf Hochschulverlag. Zürich 2017. 452 Seiten. Gratisdownload unter www.vdf.ch/medien-und-meinungsmacht-e-book.html.