Was weiter geschah: 4000 Kilometer von Moskau entfernt

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Mehr als einen Monat lang wusste Anastasia Zotowa nicht, wo sich ihr Mann befindet. Ildar Dadin verbüsst derzeit eine zweieinhalbjährige Haftstrafe, weil er an mehreren Kundgebungen gegen die russische Regierung teilgenommen hatte. Im November war ein Brief publik geworden, in dem Dadin Foltervorwürfe gegen die Gefängnisleitung erhob. Später berichteten mehrere Gefangene der gleichen Strafkolonie, ebenfalls gefoltert worden zu sein. Daraufhin wurde der 34-Jährige in eine andere Kolonie verlegt – und verschwand spurlos.

Inzwischen ist Dadin aufgetaucht: Am Sonntag rief er seine Frau aus einer Kolonie in der Altairegion an – Zotowa veröffentlichte das etwa achtminütige Telefongespräch auf einer russischen Internetplattform. Den Rest seiner Strafe wird Dadin wohl im abgelegenen Sibirien verbüssen, mehr als 4000 Kilometer von seinem Moskauer Zuhause entfernt.

Dass die Behörden den Aufenthaltsort des Gefangenen schliesslich mitteilten, liegt nicht zuletzt an einer gross angelegten Kampagne seiner UnterstützerInnen. Sie liessen sich mit Suchplakaten fotografieren und stellten die Bilder auf Facebook, auf Twitter trendete tagelang der Hashtag «ГдеИльдарДадин?» (Wo ist Ildar Dadin?). Kulturschaffende und Oppositionelle schrieben mehrere Briefe an die Strafvollzugsbehörde. Und AktivistInnen machten mit Einzeldemos auf das Schicksal des Verschwundenen aufmerksam.

Genauso wie Amnesty International führt die russische Menschenrechtsorganisation Memorial Ildar Dadin auf ihrer Liste der politischen Gefangenen. Zurzeit befinden sich in der Aufzählung über hundert Namen. Dadins russische und internationale UnterstützerInnen fordern die sofortige Freilassung des Häftlings.

Nachtrag zum Artikel «Wo ist Ildar Dadin?» in WOZ Nr. 1/2017 .