Gessnerallee: AfD trifft Libero

Nr. 7 –

«Die neue Avantgarde»: Der Titel des Podiums, das auf den 17. März im Zürcher Theaterhaus Gessnerallee angekündigt ist, klingt unverfänglich. Auch die Einladung verspricht ein offenes Gespräch: «Liberale und Reaktionäre, Konservative und Progressive, Linke und Rechte reden oft übereinander und durcheinander, selten jedoch miteinander. Das will das Podium ändern.» Schaut man sich die Gäste näher an, wachsen die Zweifel, ob hier ein ausgewogenes Gespräch stattfindet, bei dem ausschliesslich demokratische Positionen vertreten werden.

Eingeladen ist Marc Jongen, der als Parteiphilosoph der Alternative für Deutschland (AfD) gilt. Er verwahrt sich gegen die Gleichstellung der Geschlechter, fordert eine Steigerung der Geburtenrate in Deutschland und wünscht sich die Rückkehr des Thymos in die deutsche Politik. Darunter versteht er Zorn, Wut und Empörung. Zornig wurde er selbst zuletzt in der Affäre um Parteikollege Björn Höcke, der bei einer Rede in Dresden einen nationalsozialistischen Staat ausgerufen hat. Allerdings weniger wegen des Inhalts, sondern weil Höcke nun aus der Partei ausgeschlossen werden soll, was nach Jongen eine überzogene Massnahme wäre.

Neben Jongen zu Gast ist Olivier Kessler. Der junge SVPler lancierte die «No Billag»-Initiative zur Abschaffung des öffentlichen Rundfunks. Nach kurzem Gastspiel als Chefredaktor der «Schweizerzeit» von Ulrich Schlüer, die er wegen «Umstrukturierung der Verlagstätigkeit» verlassen musste, amtet er nun als Vizedirektor des liberalen Instituts. Das Podium komplettieren Laura Zimmermann, Kopräsidentin der Operation Libero, sowie der Kunstwissenschaftler Jörg Scheller, der gemäss Ankündigung gegen ein «Scheuklappendenken im konservativen wie im progressiven Lager» antritt.

Die Anfrage der WOZ bei der Gessnerallee, ob es sich bei dieser Plattform für reaktionäre Positionen um eine Eigenveranstaltung handelt beziehungsweise ob auch noch erkennbar linke Positionen eingeladen würden, blieben bis Redaktionsschluss unbeantwortet. Bis die Fragen geklärt sind, empfiehlt sich die Lektüre des Buchs «Die reaktionäre Avantgarde» des Historikers Hans Ulrich Jost. Es erzählt, wie sich bereits um die vorletzte Jahrhundertwende in der Schweiz antidemokratische Positionen gerne avantgardistisch und künstlerisch gaben.