Im Affekt: Kurze Lektion in universellem Marketing

Nr. 7 –

Homophobie beginnt in der Sprache. Sie zeigt sich nicht nur in Beschimpfungen, sondern auch in der Angst, gewisse Wörter zu benutzen, also im Verschweigen dessen, was man für selbstverständlich halten sollte.

Wie das funktioniert, kann man derzeit besonders schön in den Pressetexten ablesen, mit denen der Spielfilm «Moonlight» vom Schweizer Verleiher als «universelle Geschichte über Liebe und Vergebung» beworben wird. Im poetischen Drama von Barry Jenkins begleiten wir den jungen Afroamerikaner Chiron durch drei Kapitel seines Lebens in Miami: als Bub einer drogensüchtigen Mutter, als verschupften Teenager, der überall ausgegrenzt wird, schliesslich als Erwachsenen, der sich in einen seelischen Panzer eingekapselt hat.

«Moonlight», so der Pressetext, ist «ein einzigartiges Stück Kino über persönliche Augenblicke und Menschen, die uns prägen, und den Schmerz der ersten Liebe, der ein Leben lang nachhallen kann». Der Film zeigt, wie Chiron «für seinen Platz in der Welt kämpft, seine grosse Liebe findet und wieder verliert». Kurzum: ein «Plädoyer für Empathie, Toleranz und Verständnis», das mit acht Nominierungen verdientermassen zu den Favoriten bei den kommenden Oscars zählt.

Dass Chiron diese erste Liebe, die so lang nachhallt, mit einem Mann erlebt: Vielleicht ist das echt so selbstverständlich, dass es hier nicht der Rede wert ist. Dann bräuchte es aber auch kein Plädoyer für Toleranz und Verständnis mehr. So eiertänzerisch, wie diese Werbetexte formuliert sind, muss man eher vermuten, dass der Verleiher bloss ja nichts von einer «schwulen Liebe» preisgeben wollte – nicht weils ein Spoiler wär, sondern aus Angst, dass man dadurch die Marktchancen des Films kompromittieren könnte.

Das erinnert an Tom Fords «A Single Man» über einen schwulen Professor, der um seinen verstorbenen Freund trauert: Das US-Plakat zeigte damals den Professor (Colin Firth), wie er neben seiner besten Freundin (Julianne Moore) auf einem Kissen lag. Im Marketing ist ein scheinbares Heteropärchen offenbar immer noch universeller als ein trauernder Homo.

«Moonlight» (ab 9. März 2017 im Kino) ist ein schöner Film, dem wir jeden Oscar, den er mehr als «La La Land» gewinnt, gönnen – auch wenns wahrscheinlich umgekehrt läuft.