Kino-Film «Ma Vie de Courgette»: Ein Zucchini im Kinderheim

Nr. 7 –

Es gibt jede Menge Animationsfilme, die fantastische Welten erschaffen, in denen es völlig normal ist, dass Tiere sprechen und Autos fliegen können. Deutlich seltener, aber vielleicht noch schöner sind allerdings jene Animationsfilme, die von der Normalität ausgehen und sie in etwas Fantastisches verwandeln. Ein solcher Fall ist «Ma Vie de Courgette» von Regisseur Claude Barras, der Schweizer Erfolgsfilm der Stunde mit Oscar-Ambitionen.

Das Drehbuch der französischen Regisseurin Céline Sciamma («Girlhood») basiert auf einem Kinderbuch von Gilles Paris, die Geschichte ist simpel und alltagsnah: Es geht um einen Jungen, der darauf besteht, dass man ihn «Zucchini» (französisch: courgette) nennt, und der unter dem Alkoholismus seiner Mutter leidet. Während sich im Wohnzimmer die Bierdosen stapeln, verkriecht er sich in seinem Zimmer und schaut gedankenverloren aus dem Fenster. Dann geschieht ein Unglück, und er wird in ein Kinderheim verfrachtet.

Dieses Heim nun, in dem der Junge schnell Freunde findet und wo er sich auch bald verliebt, erscheint nicht, wie man das aus zahllosen Kinderfilmen gewohnt ist, als Hölle auf Erden, sondern ganz im Gegenteil als ein ausserweltlicher, regelrecht utopischer Ort. «Ma Vie de Courgette» ist schon deshalb genau der richtige Film für die Gegenwart, weil er dem allseits um sich greifenden Zynismus nicht die Sehnsucht nach der heimeligen Familie entgegensetzt, sondern ein fast schon rührendes Vertrauen in Institutionen, in eine zivilisatorische Ordnung, die auf Mitmenschlichkeit und Fürsorge basiert. Umgekehrt wirds immer dann gefährlich, wenn Blutsverwandte auftauchen.

Im Heim sind, anders als in der feindseligen Welt draussen, Begegnungen auf Augenhöhe möglich. Natürlich gibt es kleine Streitereien und Eifersüchteleien, aber auch in dem rothaarigen Lausbub steckt, das merkt man schnell, ein gutes Herz. Szene für Szene entfaltet sich da vor unseren Augen, in lichten Farben und klaren Linien, die Sehnsucht nach einer besseren, freieren, sozialeren Gemeinschaft.

Ab 16. Februar 2017 im Kino.

Ma Vie de Courgette. Regie: Claude Barras. Schweiz/Frankreich 2016