Museum Strauhof: Bis der Rausch ins Rauschen kippt

Nr. 7 –

Der goldene Schuss des Schreibrauschs ist weisses Rauschen. Jedenfalls sieht es auf dem Papier so aus. Innerhalb von drei Monaten schrieb der ungarische Schriftsteller Peter Esterhazy 1981/82 den Roman «Die Schule an der Grenze» des Kollegen Geza Ottlik (über 500 Seiten in der Eichborn-Ausgabe) von Hand ab – auf ein einziges Blatt Papier. Wenn er unten angelangt war, fing er einfach wieder oben an und trug eine weitere Schicht auf. Lesen kann man dieses Flimmern nicht mehr, es ist höchstens noch bildende Kunst.

Dieses Blatt und andere wie besessen verkritzelte Manuskripte sind die letzten Stücke in der Ausstellung «Schreibrausch», die derzeit im Zürcher Strauhof zu sehen ist. Die Schau fängt beim Gegenteil an: beim leeren Blatt Papier. Aufgereiht hängen sie an der Wand, die gähnenden Zeugnisse verwehrter literarischer Werke, die SchriftstellerInnen eingesandt hatten. Und auf einer Leinwand flackern die in Hollywood imaginierten Pathosformeln der Schreibblockade: manisches Tippen, Haare raufen oder das Zerfetzen des Papiers.

Aber natürlich geht es auch um Drogen als Motor der Sprachproduktion: von Friedrich Dürrenmatts Weinflaschen über Sigmund Freuds Schneeberge bis zu Aldous Huxleys Meskalintrank. Bei den Cut-up-Techniken der Beat-Avantgarde schliesslich sollte der Text nicht nur Produkt von, sondern selber Abbild des Rauschs sein. Noch einmal anders vom Produkt her gedacht wird der Rausch als bare Produktivität. Die penibel strukturierte Arbeitsweise von Thomas Mann etwa war nüchtern durch und durch, sein Output dagegen berauschend. Noch arbeitswütiger war die österreichische Schriftstellerin Marianne Fritz, ihr Roman «Naturgemäss» bringt es auf knapp 3700 Seiten.

Was sich als roter Faden durch all die verschiedenen Perspektiven in der Ausstellung zieht: Besonders beim literarischen Schreiben gehört der Rausch als Begleiterzählung zum Mythos der Kreativität dazu. Darum ist es fast etwas schade, dass andere Gattungen des Schreibens weggelassen wurden. Oder wissen Sie, unter Einfluss welcher Substanzen der vorliegende Text entstand?

«Schreibrausch. Faszination Inspiration» in: Zürich, Museum Strauhof. Bis 7. Mai 2017.