Wichtig zu wissen: Baumarktpolitik

Nr. 8 –

Ruedi Widmer über Laienschaft als Lösung

Als ich vor einiger Zeit ins Restaurant ging und zuerst zehn Minuten auf die Bedienung und dann eine halbe Stunde aufs Essen (kalt) wartete und beim Erkunden nach dem Verbleib des Mahls von der Bedienung angeschnauzt wurde, schoss es mir durch den Kopf: Die eigensinnige Annäherung dieses Restaurants an den Themenkomplex «Gastronomie» ist das, was die Hälfte der US-AmerikanerInnen an der Herangehensweise des erklärten Nichtpolitikers Donald Trump an die Politik schätzt. Es ist das Unvollkommene, das Menschliche, das sie rührt. Sie sehen sich in Trump selber, sie sehen sich selber im Oval Office sitzen. Mächtig stolz, Präsident zu sein, aber aus lauter Überforderung und Unverständnis voller Verachtung gegenüber dem ganzen Regierungsapparat und dem Parlament. Denn diese braucht ein Menschgebliebener aus dem Mittleren Westen oder aus Oberwil-Lieli doch gar nicht.

Mit dem gesunden Menschenverstand des Laien geht alles schneller und unkomplizierter. Den gesunden Menschenverstand verliert man aber, wenn man sich in Schulen bildet oder ein Buch liest. Der Verstand verfängt sich in den Buchstabenzeilen, er schleift sich ab an all den Wörtern, die einzig erfunden wurden, um sie nicht zu verstehen.

Das Leben wird einfacher, wenn man die menschlichen Seiten zu schätzen beginnt und nicht alles so furchtbar genau nimmt. Man ärgert sich dann nicht mehr so über die alltäglichen Strapazen. Ich freue mich seit gut einer Woche einfach, wenn ich nicht bedient werde, generell über alle Zugsverspätungen, ich freue mich, wenn der herbeigerufene Elektriker sich weigert, etwas von seinem Beruf zu verstehen, und das nicht verhehlt. Ich freue mich, wenn ich vor verschlossenen Schaltern der Post stehe. Mit mir freuen sich auch die vielen Fans des US-Präsidenten.

Allerdings stimmt an dieser einleuchtenden These mehr oder weniger alles nicht. Denn die Fans des amerikanischen Präsidenten sind im Gegenteil überdurchschnittlich unausgeglichen, sehr ungeduldig, sie sind gekränkt, wenn sie nicht bedient werden, sie ärgern sich im Verkehr über alle anderen VerkehrsteilnehmerInnen. Sie drängeln sich an der Kasse vor, sie meinen dauernd, zu kurz zu kommen. Von den AusländerInnen, die ihnen dauernd auf die Füsse treten, haben wir noch nicht einmal gesprochen.

Das hiesse auch, die Unprofessionalität des oben erwähnten Restaurants liegt überhaupt nicht an den liebenswerten menschlichen Eigenheiten des Personals, sondern an der fehlenden Autorität des Chef de Service oder des Besitzers. Oder überhaupt an der zu hohen Anzahl Angestellter, die herumhühnern, sich missverstehen und gegenseitig um Macht buhlen. Es gibt ohnehin zu viele Menschen auf der Welt. Der Makel des Restaurants wäre demnach, dass es nicht einfach einer allein macht.

Trump, Erdogan, Putin, da ist Klarheit, Einfachheit, wie im Märchen oder im Globibuch. Ein Mann, ein Volk. «Wenn es das Volk richtig macht» (Hedi Wyler), braucht es nicht mal mehr Parteien, SteuerbeamtInnen, Sozialhilfe, Kontrollapparate und Polizei. Es alleine machen, das finden sehr viele gegenüber dem rechten Politspektrum offene Menschen gut.

Doch wie immer existieren auch hier Ausnahmen. Die oft rechten ImpfgegnerInnen, die finden es nicht gut, es alleine zu machen. Denn laut der Heilpraktikerin Zita Schwyter aus Uznach – kürzlich in der «Toggenburger Zeitung» – führen Impfungen zu Masturbation, einer sehr schlimmen Krankheit, die mit dem Geschlechtsteil ausgetragen wird.

Donald Trump masturbiert nicht nur mit seinem Geschlechtsteil, sondern mit seinem ganzen Verstand. Er ist vermutlich mit allem geimpft, was der Markt hergibt. Das müsste doch den Impfgegnerinnen und alternativen Heilsuchern zu denken geben.

Doch für diese ist Donald Trump nicht krank, er ist alternativ gesund.

Ruedi Widmer ist Cartoonist in Winterthur.