8. März: Die Speerspitze des Widerstands

Nr. 9 –

«Feminismus für die 99 Prozent»: Aktivistinnen und Forscherinnen in den USA rufen für den Internationalen Frauentag zum Streik auf.

«Wir glauben, dass es nicht reicht, sich Trump und seiner aggressiv frauenfeindlichen, homophoben, transphoben und rassistischen Politik entgegenzustellen. Wir müssen auch die neoliberalen Angriffe auf soziale Fürsorge und Arbeitsrechte beantworten»: Mit diesen Worten beginnt ein Aufruf, den acht US-amerikanische Aktivistinnen, Forscherinnen und Autorinnen kürzlich im britischen «Guardian» publizierten.

Initiiert haben den Appell unter anderem die Buchautorin Keeanga-Yamahtta Taylor, Bürgerrechtlerin Angela Davis und die New Yorker Politologin Nancy Fraser. Für den Internationalen Frauenkampftag kommenden Mittwoch rufen sie zu einem landesweiten Streik auf und fordern einen «Feminismus für die 99 Prozent», der sich für die Rechte von Arbeiterinnen, Migrantinnen und Women of Color einsetzt.

Produkt jahrelanger Debatten

Mit ihrem Aufruf sagen die Aktivistinnen dem neoliberalen Feminismus der letzten Jahrzehnte den Kampf an, der vielen Frauen zwar individuelle Karrierechancen bescherte, für die meisten jedoch nur wenig verbesserte. Sie reflektieren damit nicht zuletzt einen Aushandlungsprozess, den afroamerikanische Feministinnen seit Jahrzehnten betreiben. Dass ein Feminismus, der nicht die Sorgen aller Frauen ernst nehme, kein wahrer Feminismus sei, hatte die Black-Feminism-Vorreiterin Barbara Smith Ende der siebziger Jahre formuliert – eine Einsicht, aus der sich später ein intersektionaler Feminismus formierte, der verschiedene Formen von Diskriminierung berücksichtigte. Teil dieser feministischen Diskussion war in den letzten Jahren auch die Black-Lives-Matter-Bewegung.

Dass sich der geplante Streik in diese Tradition einreiht, machte kürzlich auch Keeanga-Yamahtta Taylor deutlich. «Wir sehen den Tag als Versuch, den Bezug zur militanten und radikalen Politik des linken Black Feminism der sechziger und siebziger Jahre herzustellen, der die Unterdrückung der Frau im Kapitalismus verortete», so die Aktivistin in einem Interview.

Entsprechend ist der breite weibliche Protest in den USA das Produkt dieser jahrelangen Debatten. Und erst diese Auseinandersetzung hat den Women’s March ermöglicht, der nach Donald Trumps Vereidigung mehrere Millionen Frauen (und Männer) auf die Strasse brachte. An diesem Tag Ende Januar hat sich gezeigt, wie aus punktuellem Protest gegen einzelne Massnahmen eine breite Bewegung entsteht, die die fragmentierte linke Opposition im Land einen kann.

Fortführung der Protestkette

Seither setzt sich in den USA der Widerstand fort: In den vergangenen Wochen protestierten Tausende mit ganz unterschiedlichen Anliegen gegen Trumps Politik – an Flughäfen und auf öffentlichen Plätzen gegen den rassistischen «Muslim Ban», im ganzen Land für die Rechte von ImmigrantInnen, in Standing Rock gegen den (von Trump erneut bewilligten) Bau der North Dakota Access Pipeline.

Auch in anderen Ländern bildeten Frauen zuletzt die Speerspitze des Widerstands: Im letzten Herbst zogen Hunderttausende gegen Machokultur und sexualisierte Gewalt durch lateinamerikanische Städte. In Polen legten viele Tausend zum ersten Mal überhaupt die Arbeit nieder, um gegen das von der rechtskonservativen Regierung angekündigte Abtreibungsverbot zu protestieren – mit dem Ergebnis, dass das frauenfeindliche Gesetz schliesslich gekippt wurde. Und in Südkorea und Irland gingen Frauen für reproduktive Rechte auf die Strasse.

So ist auch der geplante Frauenstreik das Ergebnis eines globalen Netzwerks, das unter dem Motto «Ein Tag ohne Frauen» in dreissig Ländern zu Aktionen aufruft – unter anderem auch in der Schweiz. Ein breites Bündnis aus Gewerkschaften, Parteien, Frauenorganisationen und migrantischen Gruppen organisiert für den 8. März diverse Aktionen von Bern bis Genf, am 18. März soll dann auch ein Frauenmarsch in Zürich stattfinden. Ob es gelingt, die verschiedenen Kämpfe in den USA unter der Fahne des intersektionalen Feminismus zu vereinen, wird sich zeigen. In der Schweiz jedenfalls kann der angekündigte Frauenmarsch zum Auftakt wichtiger Debatten werden.