Serbien: Ankara als Vorbild

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Der amtierende Premierminister Aleksandar Vucic geht als klarer Sieger aus den serbischen Präsidentschaftswahlen hervor. Doch gegen den von der EU hofierten Politiker regt sich Widerstand.

Eigentlich sah es in Serbien nach einer klaren Sache aus. Am Sonntagabend verkündeten die öffentlich-rechtlichen Nachrichtensender den Sieg des amtierenden Premierministers Aleksandar Vucic bei den Präsidentschaftswahlen. Er holte 55 Prozent der Stimmen, während der Zweitplatzierte, Sasa Jankovic, nur auf 16,3 Prozent kam. Trotzdem gingen bereits am Montagabend Tausende in Belgrad, Novi Sad und Nis auf die Strasse. In der serbischen Hauptstadt begannen die Proteste am frühen Abend vor dem Parlament, als DemonstrantInnen Eier auf das Gebäude warfen und skandierten «Vucic ist ein Dieb» und «Wir wollen Vucic nicht». Später zogen sie vor das Gebäude des öffentlich-rechtlichen Senders RTS, dem sie vorwarfen, während des Wahlkampfs nicht ausgewogen berichtet zu haben.

Der Grossteil der Medien in Serbien wird nämlich von Vucic und seiner serbischen Fortschrittspartei (SNS) kontrolliert. Laut einer Medienanalyse erhielt der 47-Jährige in der Woche vor den Präsidentschaftswahlen 67 Prozent der Sendezeit. Die restlichen 33 Prozent teilten sich die zehn übrigen Kandidaten untereinander auf.

Mobilisierung über Facebook

Eine der DemonstrantInnen in Belgrad sagte: «Diese Tyrannen haben die Opposition und die Meinungsfreiheit zerstört. Jetzt müssen wir auf die Strasse, um uns gegen diese Diktatur zu wehren.» Die DemonstrantInnen machten auch halt vor dem Sitz der staatlichen Wahlkommission, wo sie der amtierenden Regierung Wahlbetrug vorwarfen.

Die Proteste gegen Vucic wurden via Facebook organisiert. Nemanja Milosavljevic rief zu einer Veranstaltung unter dem Titel «Proteste gegen die Diktatur 2017» auf. Über dem Konterfei des angehenden Präsidenten standen die Worte: «Wenn wir Slobodan Milosevic stürzen konnten, können wir auch den kleinen Aleks stürzen.»

Nemanja Milosavljevic ist Anhänger des Satirekandidaten Luka Maksimovic. Der 25-jährige Student gab sich den Namen Ljubisa Preletacevic (was sich mit «Ljubisa Überflieger» übersetzen lässt) und versprach: «Als Präsident werde ich jede Form von Bestechlichkeit bekämpfen, ausser meine eigene.» Mit solchen Versprechen konnte er immerhin 9,4 Prozent der Stimmen und damit den dritten Rang bei den Präsidentschaftswahlen holen. Seine AnhängerInnen sind jung, urban und auf sozialen Medien aktiv. Es sind jene, die jetzt auch auf die Strasse gehen. Via Facebook-Livestream verfolgten Hunderttausende die Proteste. Auf die staatlich kontrollierten Medien sind sie nicht angewiesen.

Dennoch glaubt kaum jemand, dass die Proteste Aleksandar Vucic zu einem Rücktritt zwingen könnten. Nun warten alle ab, was er plant. Der Präsident wird in Serbien zwar direkt von der Bevölkerung gewählt, er hat aber kaum Einfluss auf die konkrete Gesetzgebung. Der 47-jährige Machtpolitiker Vucic wird seinen Einfluss als Regierungschef aber kaum aufgeben wollen. Die meisten AnalystInnen rechnen damit, dass Vucic der serbischen Öffentlichkeit in den kommenden Tagen einen willfährigen Gefolgsmann präsentieren wird, der dann das Amt des Ministerpräsidenten übernimmt.

Vorbilder für eine solche Strategie finden sich in Moskau und Ankara. Beim wechselnden Tandem Wladimir Putin und Dmitri Medwedew ist jedem klar, wer Koch und wer Kellner ist. Ähnlich lief es auch in der Türkei, wo Recep Tayyip Erdogan im August 2014 vom Amt des Ministerpräsidenten auf dasjenige des Präsidenten umsattelte und Binali Yildirim als Regierungschef installierte; dieser ist bislang nicht durch einen eigenen Willen aufgefallen.

So könnte es nun auch in Serbien laufen. Die Macht von Aleksandar Vucic basiert weniger auf seinem Amt als vielmehr auf seinen weitverzweigten Netzwerken, die bis tief in die Kapillaren der defekten Demokratie Serbiens reichen.

Der letzte Kandidat, der sich in Serbien ohne Stichwahl bei den Präsidentschaftswahlen durchsetzen konnte, war Slobodan Milosevic. Vucic ist heute mächtiger, als es Milosevic jemals war, weil er die EU auf seiner Seite hat.

Ein Anker der Stabilität?

Das Lob kommt vor allem aus Deutschland. Vucic wurde von der deutschen Bundeskanzlerin in Berlin zum Staatsbesuch empfangen, Angela Merkel lobte dabei die Reformbemühungen in Serbien. Über die Gängelung von Presse, Justiz und Opposition wurde zumindest nicht öffentlich gesprochen. Der deutschen Regierung gilt Vucic als Garant wirtschaftsliberaler Reformen und einer EU-Integration Serbiens. Ausserdem kooperiert er in der europäischen Flüchtlingsabwehr und gilt als Anker der Stabilität in der Region.

Einst hatte man so auch über Erdogan gesprochen. Aleksandar Vucic wird jedenfalls versuchen, seine Macht weiter auszubauen. Möglich, dass es dann irgendwann auch in Serbien ein Referendum über die Einführung eines Präsidialsystems gibt.