Energiestrategie 2050: Ein Ja gegen die aggressive Ignoranz

Nr. 20 –

Wenn es um Sozialpolitik, Steuern, Migration oder Feminismus geht, hat die Linke viele ExpertInnen. Zum Glück: Dank dieses geballten Wissens lassen sich spannende Debatten führen, komplexe Themen in verständliche Argumente verpacken und manchmal auch Abstimmungen gewinnen – wie bei der Unternehmenssteuerreform. Doch es gibt andere Themen, die unseren Alltag direkt betreffen, ja lebenswichtig sind: Landwirtschaft, Energie, Technik allgemein. Hier sind die Linken längst nicht so breit aufgestellt. Jede Partei hat einige wenige ExpertInnen dazu, auf die die Mitglieder vertrauen.

Das war einmal anders: Vor hundert Jahren stritten auch Sozialdemokratinnen und Sozialisten über die richtige Agrar- oder Industriepolitik. Inzwischen ist nicht nur die Landwirtschaft, sondern fast die ganze Güterproduktion aus dem Alltag der reichen Länder verschwunden. Und an den Universitäten ist die Trennung zwischen Geistes- und Naturwissenschaften total. Die einen verstehen nichts von Naturwissenschaft und Technik, hegen oft sogar Verachtung dafür. Die anderen tendieren dazu, an technische Lösungen zu glauben und soziale, politische und psychologische Faktoren zu unterschätzen.

Kein Wunder also, dass die Debatte über die Energiestrategie 2050 recht seltsam ist, das aber kaum jemandem auffällt: Der Bundesrat will seit langem den Strommarkt liberalisieren, doch vor der Abstimmung ist das kein Thema. Da tut man so, als wäre man autark. Und wenn Linke kritische Fragen zur Energiestrategie stellen, gilt das vielen BefürworterInnen als Verrat.

Aber kritische Fragen sind kein Aufruf für ein Nein. Es ist wichtig, am Sonntag Ja zu stimmen – nicht nur, weil dann der Bau von AKWs und die Wiederaufbereitung von Brennstäben verboten werden (siehe WOZ Nr. 19/2017 ). Ein Ja ist vor allem auch ein Zeichen gegen die aggressive Ignoranz der Rechten: Im Gegensatz zu ihnen wissen kritische Energiestrategie-BefürworterInnen, dass es eine Abkehr von fossilen Energieträgern braucht und der Energieverbrauch sinken muss. Die grosse Herausforderung beginnt nach der Abstimmung: der Kampf um eine effektive und zugleich sozialverträgliche Umsetzung.