Von oben herab: In weiter Ferne, so nah

Nr. 24 –

Stefan Gärtner über die Normalität von Ausserirdischen

Kaum war es gedruckt, dass ich so gern nie auslerne, lernte ich schon wieder was: dass Erich von Däniken (98) noch lebt. Die wenigen Menschen, die seine als Sachbücher verlegten Werke, in denen Ausserirdische die Pyramiden gebaut und die ersten Menschen mit Äffinnen gezeugt haben, nie gelesen haben – die Gesamtauflage seiner Bücher beträgt sechzig Millionen –, haben jetzt einen allerneusten Beweis für seine Existenz. Däniken hat ihn, wie üblich, selbst angefertigt, und zwar in Form eines Tweets: «Überall Festivals für Homos, Lesben etc. Nichts dagegen. Aber gibt’s eigentlich auch noch Festivals, an denen sich Normale zeigen dürfen?»

Dafür hat Erich von Dänemark (102) sehr viel sog. Häme aus dem sog. Internet einstecken müssen, weil einer, der Milliarden mit Spekulationen übers Paranormale verdient hat und sich plötzlich nach dem Normalen sehnt, eine sog. Steilvorlage war: «Wen meinen Sie mit normal? Ausserirdische Astronauten?» Und so dankbar man ist, wenn minderheitenfeindliche Netzmitteilungen mal auf Hohn und Analyse stossen («Armer privilegierter weisser Mann – kann ihn mal bitte jemand trösten?»), so nahm doch niemand den Aha-Moment, das Heureka wahr: dass das Rätsel um Emil von Hägen-Dasz (110) von ihm selbst gelöst worden ist.

Als «Fussgängerzonen-Publikum» beschrieb die FAZ zum Auftakt von Ed von Schlecks jüngster Vortragstour seine Fans, «normale Leute in normalen Jacken, von denen, weil es draussen schüttet und man den Weg dennoch gewagt hat, der Regen herabtropft». Ah, diese Jacken. «Viele Deutsche kennen den Schweizer Däniken schon, seit sie kleine Kinder waren; früher trat er oft im Fernsehen auf. Und er schrieb auch schon. Eigentlich war er der erste, der in einer Reihe von erfolgreichen Büchern, die als Sachbücher gelten, die Regierung – und nicht nur die deutsche – des grossen Verschweigens bezichtigt hat», was die Existenz von Ausserirdischen betrifft. «Heute ist das in Mode», und Däniken erscheint als Vorläufer, war er doch immer «gegen die ‹Vernunft›, die dazu führt, dass Leuten seine Beweise nicht ausreichen. Die zentrale Nachricht des Abends ist: Das Zeitalter dieser ‹Vernunft› neigt sich glücklicherweise seinem Ende zu.»

Und wenn wir «Vernunft» durch «Aufklärung» ersetzen, sehen wir den deutschen Wolfskin-Spiesser, die Schweizer Northface-Mutti erleichtert einen Däniken kaufen, in dem nicht nur alles Gute von sehr weit oben kommt, sondern auch das aufgeklärte Zeitalter in die Schranken gewiesen wird, das den Normalos ausser Fernreisen und Porno im Grunde nichts gebracht hat.

Das Ressentiment gegens Andere ist ja nicht viel mehr als das kanalisierte Unbehagen in der Kultur, der Argwohn des autoritären Charakters, dass das Glück, das er sich selbst stets abgespart hat, von anderen auf Kosten jener Mehrheit gelebt werde, deren vermutlich sogar freundlicherer Teil dem Emir von Dünkirchen (130) noch immer die Bude einrennt. Bei ihm darf das Andere und Schöne ganz offen Objekt der Sehnsucht sein, aber als schlechthin Fernes, Unerreichbares, Ausser-Irdisches eben, dessen Vertreter der Meister, weil Abstrakta nicht sellen, «als eine Art extraterrestrische Schweizer» schildert: «hoch entwickelt, rücksichtsvoll, eher sanft und freundlich» (FAZ).

Und das ist der Gag, dass die Kundschaft das nicht sieht: dass es so unerreichbar gar nicht wäre. Es ist geradezu ums Eck.

Stefan Gärtner (BRD) war Redaktor bei der «Titanic» und ist heute Schriftsteller und «linksradikaler Satiriker» («Die Zeit»). An dieser Stelle nimmt er das Geschehen in der Schweiz unter die Lupe.