Auf allen Kanälen: Die Gegenstimme

Nr. 28 –

Das einzigartige Medienprojekt FC/MC setzte am G20-Gipfel der offiziellen Deutungshoheit der Polizei einen alternativen Informationskanal entgegen.

In nur 48 Stunden war es so weit: Das Stadion des FC St. Pauli hatte sich in ein Medienzentrum verwandelt. Unermüdlich waren in den Katakomben Kabel verlegt und Studios eingerichtet worden. Draussen auf der Südtribüne wurde eigens eine Bühne gezimmert, mit bester Aussicht auf das Messeviertel, wo sich die G20-Staatschefs zu ihrem Gipfel trafen. «Wir wollen für alle Protestierenden eine Plattform schaffen, damit sie ihre Sicht darlegen können», erklärte Maren Grimm, eine der InitiantInnen, das Ziel des alternativen Medienzentrums. Seit Monaten versuche die Polizei, die DemonstrantInnen in friedliche und gewalttätige zu unterteilen, dieser Spaltung wolle man entgegenwirken. Ihr Kollege Oliver Leistert ergänzte: «Wir verstehen uns auch als Ort, wo ausgehandelt wird, was Journalismus heute sein kann.» Profis und AmateurInnen sollten zusammenarbeiten.

«Das ist doch Propaganda!»

FC/MC nannte sich das Medienzentrum. Ausgedacht hatten es sich AktivistInnen aus der Hamburger Politkultur. Unterstützt wurden sie vom Chaos Computer Club in der Technik und vom Musikfestival Fusion in der Infrastruktur. Das MC im Namen stand für «Media Center». Das FC davor für alles Mögliche: «Free Communication», «Free Commons», «Fruitful Collaborations», «Finalize Capitalism». Oder natürlich auch – man war ja in einem Stadion – für «Football Club».

Nach einer Woche konnte man feststellen: Der verrückte Plan war aufgegangen. Die Pressekonferenzen waren ein tägliches Ereignis. Da war zum Beispiel der Jurist Boga Sako aus der Côte d’Ivoire, der die westlichen Staaten ermahnte, in Afrika endlich die Menschenrechte einzuhalten. Da war die Schülerin Zazie Götz vom Bildungsstreik, die sich über die Aufforderung der Behörden amüsierte, doch bitte erst nach dem Unterricht zu streiken. «Es ist nun einmal das Wesen eines Streiks, zu bestreiken, was er kritisiert.» Gabriele Heinecke, Mitglied des «Legal Team», belegte hartnäckig die Rechtsverletzungen der Polizei an den Demonstrationen: «Wir erleben eine Aufstandsbekämpfung ohne Aufstand.» Einigen KonzernjournalistInnen war das zu viel: Das sei doch Propaganda hier, rief einer. Ob er das an einer Pressekonferenz von Angela Merkel auch gesagt hätte?

Übung in Kollektivität

Auf dem Stream des FC/MC konnte man die Demonstrationen live verfolgen, auf Twitter wurden die aktuellen Ereignisse kommentiert, dazu wurden Interviews und Beiträge produziert. Die Herausforderung für alle Beteiligten bestand darin, das eigene Wissen in das Projekt einzubringen, eine Übung in Kollektivität im besten Sinn. Irgendwann hatten auch wir «WOZ-Leute», wie wir im Stadion freundlich gerufen wurden, unseren Platz gefunden. Nicht nur entwarfen wir in Schweizer Präzisionsarbeit einen Arbeitsplan für die Redaktion, wir stiegen sogar zu Moderatoren und Übersetzerinnen auf. Die andere Sicht auf den Gipfel gibt es im Archiv zu sehen auf https://fcmc.tv.