Geschichte der WOZ: Ein Kampf um Worte und ein kleiner Krieg

Nr. 10 –

«Links und bündig» – so heisst das neue Buch zur Geschichte der WOZ seit 1981. In ihren ersten Jahren mischte sich die Zeitung nicht nur in aktuelle Debatten ein, sie provozierte sie gleich selbst. Und ein Streit über Computer führte gar zu internen Spaltungen. Zwei Buchauszüge aus den hitzigen Anfangszeiten.

  • Sechzehn Seiten und ein Primeur: Die erste WOZ erschien am 1. Oktober 1981 und enthüllte die geplanten Bohrorte der Nationalen Genossenschaft für die Lagerung radio­aktiver Abfälle.
  • Kein Computer nirgends: Layouter Heinz ­Scheidegger in einem Schwamendinger Estrich. Fotos: Gertrud Vogler
  • Redaktionssitzung 1982 an der Weinbergstrasse 31 in Zürich.
  • «Wenn Meienberg wohlgelaunt in der WoZ auftaucht, freut man sich, an Arbeiten ist nicht mehr zu denken»: Marianne Fehr (rechts) über Niklaus Meienberg (links), hier zusammen mit Max Frisch.

Die «Realismusdebatte»

Wenn sich die Kultur in der WoZ anfänglich noch ihren Platz hat erobern müssen, so tritt sie ab dem Herbst 1983 mit einer fulminanten Debatte ins Zentrum der publizistischen Aktivität. Den Startschuss macht eine Kritik von Corinne Schelbert zu Thomas Koerfers Film «Glut» über eine Industriellenfamilie und schweizerische Waffenlieferungen an Deutschland während des Zweiten Weltkriegs. Schelbert gibt nach ein paar Präliminarien rasch den Tarif durch: «‹Glut› ist ein kalter, arg konstruierter, neutraler, ängstlicher Film.»

Ein paar Wochen später doppelt Niklaus Meienberg nach, nicht nur zu Koerfer, sondern vor allem zu Otto F. Walters Roman «Das Staunen der Schlafwandler am Ende der Nacht». Letzterer ist in der WoZ schon besprochen worden, weitgehend positiv, von Alois Bischof, der das Buch «vielschichtig, raffiniert» nennt, die «Komplexität dieser kunstvollen Prosa» rühmt, dem Buch «ungeheures reflektives Potential» bescheinigt und meint: «Hart und unerbittlich kratzt Walter den Mythos der Pressefreiheit an.» Meienberg vermag das nicht zu beeindrucken, im Gegenteil, es weckt seinen Furor. Koerfers Film wie Walters Buch seien «mühsame Konstrukte, die jeder Wahrscheinlichkeit entbehren, zurückgeblieben hinter der Realität, sub-realistisch statt, wie vermutlich angestrebt, mit einem Hauch von Sur-Realismus belebt».

Damit ist das Stichwort gegeben: Subrealismus. Koerfer wie Walter verteidigen sich, betroffen und widerwillig, in längeren Leserbriefen. Zudem organisiert die Redaktion eine Debatte unter SchriftstellerInnen und FilmerInnen. Innerhalb einiger Nummern kommt rund ein Dutzend Beiträge zusammen, von Beat Sterchi und Mariella Mehr, von Rolf Niederhauser und Christoph Bauer, von Rudolf Bussmann und Isolde Schaad. Dazu werden zwei Gespräche mit Exponenten der Schweizer Filmszene geführt, und etliche LeserInnen mischen sich ein. Das alles wird 1984 gesammelt in einer Broschüre unter dem etwas ironisch-hochstapelnden Begriff «Realismusdebatte».

Meienberg zeigt sich versöhnlich

Als organisierte Debatte innerhalb der Schweizer Literatur- und Filmszene ist es eine bemerkenswerte Leistung. Daran zeigt sich die Anziehungskraft und Attraktivität der WoZ insbesondere für LiteratInnen.

Über den inhaltlichen Ertrag lässt sich allerdings streiten. Die meisten SchriftstellerInnen wehren sich gegen Meienbergs aggressiven Zensurgestus, und sie klagen das Recht auf die künstlerische Fantasie und Sprachmacht ein. Was Meienberg gewiss nicht bestreiten wollte. Aber in seiner Polemik hat er die Notwendigkeit einer realistischen Basis für jede Literatur allzu stark betont. Da hilft es nicht, dass er sich zwischenzeitlich zum Drachentöter stilisiert, der es als Einziger wage, das «Friedensabkommen» in der Literaturindustrie aufzubrechen, und sich dabei zugleich als Opfer entsprechend pikierter Reaktionen sieht.

Dass die Gegensätze künstlich zugespitzt wurden, zeigt sich auch im abschliessenden Gespräch zwischen Meienberg und Walter, das auszugsweise in der WoZ im Mai 1984 und in ganzer Länge in der Broschüre abgedruckt wird. Meienberg zeigt sich darin überraschend versöhnlich. Er habe sich vor allem an der Darstellung der Medienbranche bei Otto F. Walter gestört, die er nun einmal in- und auswendig kenne. Dagegen kann Walter darauf beharren, dass er seine Rede in vielschichtigen Verschachtelungen komplex halte. Was Meienberg als defizitäre Wirklichkeitsbeschreibung kritisiere, sei meist eine als defizitär sichtbar gemachte Figurenrede. In ihrem Diskussionsbeitrag deutet Isolde Schaad allerdings an, dass Walters Buch auch vor dem selbstgesetzten Anspruch teilweise gescheitert sei.

Ein vergnüglicher Fehlschlag

Dass es überhaupt zur Debatte kommt, hängt wesentlich mit der – zuweilen polarisierenden – Ausstrahlungskraft von Niklaus Meienberg zusammen. Seine Wirkung auf die WoZ zu dieser Zeit hat Marianne Fehr in ihrer Meienberg-Biografie geschildert: «Wenn Meienberg wohlgelaunt in der WoZ auftaucht, freut man sich, an Arbeiten ist nicht mehr zu denken. Wäre man Arzt, müsste man die Operation sofort unterbrechen. Es sind viele Geschichten und Anekdoten zu erzählen, die später oft in seinen Texten im selben Wortlaut wiederzufinden sind – das Erzählen ist eine Vorarbeit des Schreibens. Meist ist noch das eine oder andere Schmähtelefon zu führen, der eine oder andere Schandbrief zu schreiben, wozu man ihm die eigene Schreibmaschine oder das Telefon gerne leiht und ihm mit Couverts, Adressen oder Briefmarken zur Hand geht.»

Im Dezember macht er einen Stage auf der Redaktion, voraussehbar ein vergnüglicher Fehlschlag, fordert dann in einem «fast erpresserischen Aufruf» alle übrigen linken JournalistInnen und Kulturschaffenden auf, für die WoZ zu schreiben. Tatsächlich, so fasst Patrik Landolt zusammen, habe Meienberg jederzeit grosszügig seine Kontakte, sein soziales Kapital zur Verfügung gestellt.

Der Computerstreit

Sie mag im Rückblick skurril anmuten. Kann man sich eine Verweigerung gegenüber Computern überhaupt noch vorstellen? [Mitte der achtziger Jahre wird in der WoZ die sogenannte Computerdebatte geführt.] Bereits während der Debatte ist sie von der Mehrheit der Beteiligten als Ausdruck einer tiefer gehenden Auseinandersetzung um die politische Ausrichtung der WoZ verstanden worden, und diese Einschätzung hat sich in den bisherigen punktuellen WOZ-Geschichtsschreibungen fortgesetzt. In einem Beitrag zum Dreissig-Jahr-Jubiläum, der sich mit «Gerüchten um die WOZ» beschäftigt, heisst es zum Beispiel: «‹Eigentlich ging es in der ganzen Diskussion gar nicht um die Computerfrage›, erinnert sich eine Redaktorin, die damals frisch bei der WoZ war. ‹Es war ein Krieg zwischen zwei Fraktionen, die unterschiedliche politische Anschauungen vertraten.›»

Ebenso hat der damalige Redaktor Andreas Simmen bekräftigt: «Das war eine Scheindebatte. In Wirklichkeit war es ein Streit um die politische Ausrichtung: um die Frage, ob sich die WOZ als linkes Forumsblatt positionieren oder Verlautbarungsblatt einer ‹linken Avantgarde› sein sollte.» Das stimmt. Aber wenn man die Auseinandersetzung im gesellschaftlichen Umfeld betrachtet, steckten darin berechtigte Fragestellungen zur neuen Computertechnologie – zu deren Kontroll- und Überwachungsfunktionen ebenso wie zur zunehmenden Zentralisierung und zu möglichen Anpassungen der Arbeitsorganisation.

Wie hältst du es mit der Technik?

Der Computerisierung hatte sich die WoZ einige Jahre lang entziehen können. Einzig für die Buchhaltung wurde ein Personal Computer angeschafft. Ansonsten hackten die meisten RedaktorInnen und MitarbeiterInnen auf mechanischen Schreibmaschinen herum; eine alte Remington Rand von Niklaus Meienberg ist noch heute in den Redaktionsräumen vorhanden. Die Satzproduktion war an Salinger Satz in Zürich Schwamendingen ausgelagert.

Unter dem Stichwort «Computer alternativ?» versammelt die WoZ erstmals im Januar des Orwell-Jahrs 1984 verschiedene Positionen zur Computerisierung. Zu Wort kommen ein Verkäufer – der Schweizer Computerpionier Hannes Keller –, ein Anwender und, in Form einer theatralischen Inszenierung, ein Computerfreak; dazu verfasst Lotta Suter einen Kommentar. Als «Skeptikerin» weist sie auf das quantifizierende, duale und sektorielle Denken hin, das sich durch die Computerisierung durchzusetzen droht, und beschreibt die geschlechterspezifischen Diskriminierungen von Frauen, die als Hilfskräfte dem neuen Wirtschaftssektor zudienen sollen. Ihr Fazit: «Die Gräben [werden] unüberwindlicher.»

In einem folgenden Beitrag verschärft Claudia Bislin die Kritik an der neuen (linken) Heilslehre von Dezentralisierung und Abkoppelung von der Weltwirtschaft, die nur den Plänen des Kapitals entgegenkomme. Aus dieser Analyse folgt für sie: «konsequente verweigerung ist allen widerstands anfang.» Im April berichtet Res Strehle über eine grosse Gewerkschaftstagung zu neuen Personalinformationssystemen in Konzernen. Nachdem er beschränkte realpolitische Erfolge beim Datenschutz geschildert hat, schlägt er «kleine und grosse Weigerungen» vor.

«Computer für die Revolution?»

Die harte Computerdebatte beginnt ein Jahr später, fernab, in Bezug auf Nicaragua. Jan Morgenthaler startet sie. «Computer für die Revolution?», fragt er und berichtet im Juni 1985 über eine Aktion des Vereins Technik für die 3. Welt, der sandinistischen Regierung in Nicaragua Computer zur Verfügung zu stellen. Unterstützt wird die Aktion nicht nur von Ingenieuren und Technikern, die in den Gewerkschaften Smuv und GBH organisiert sind, sondern auch vom Nicaragua-/El-Salvador-Komitee in Zürich und von Mitgliedern aus der autonomen Szene.

Darauf reagiert Morgenthaler «fuchsteufelswild» und fährt grosses Geschütz auf. So spricht er vom «systemimmanenten Gewaltcharakter der Computertechnologie» – der «macht Computer böse». Parallel dazu wirft er den SandinistInnen vor, mit dem Einsatz von Computern einen zentralisierten Planungsstaat zu verfestigen. Dagegen plädiert er für eine dezentrale Entwicklung: Löhne sollten zum Beispiel lokal in Naturalien ausbezahlt werden, und statt der computergesteuerten Kommunikation könnte man mit kleinen analogen Radiosendern arbeiten. Solidaritätsarbeit aus dem Westen dürfe zwar den SandinistInnen nicht vorschreiben, in welche Richtung diese die Entwicklung vorantreiben sollten, aber es sei doch eine politische Diskussion darüber zu führen.

Zwei Vereinsmitglieder antworten, betonen die emanzipatorischen Möglichkeiten der Computertechnologie für die SandinistInnen und machen sich ein bisschen über die konkreten Vorschläge von Morgenthaler lustig. Dazu werfen «GenossInnen aus der autonomen Szene» Morgenthaler vor, er verabsolutiere Computer als das Böse schlechthin und berücksichtige die Dialektik jeglicher Technik zu wenig. Zudem könne er eine paternalistische Haltung nicht abstreifen, da in seinen angeblich basisorientierten Vorschlägen eurozentrische Einschätzungen dominierten.

«Computer sind doch Glaubenssache», schrieb Lotta Suter Anfang 1984, und das bestätigt sich angesichts der Zuschriften von LeserInnen: Von «Geilheit auf Computer» über den «katholischen Geist in der linken Technik-Diskussion» bis zu «Nicht verbieten – erziehen!» reichen die Schlagwörter.

Computer: ein Herrschaftsinstrument? Nachdem die Auseinandersetzung öffentlich abgeschlossen ist, wird sie intern schärfer. Die Satzproduktion bei Salinger stösst an technische und infrastrukturelle Grenzen, also entschliesst sich das Kollektiv, sie ins eigene Unternehmen zurückzunehmen. Das ist ein gutes altes linkes Anliegen: über die Produktionsmittel zu verfügen. Ende Oktober 1985 beschliesst das Kollektiv, neue Satzcomputer anzuschaffen, und schreibt zwei Arbeitsstellen für SetzerInnen aus. […]

In der gleichen Ausgabe [Anfang März 1986] wird auch der Kampf gegen die geplanten WoZ-Computer mit einem ganzseitigen Artikel der «Aktionsgruppe gegen Computerherrschaft» eröffnet. Die hat der WoZ-Redaktion ein längliches Papier zugestellt und sie ultimativ aufgefordert, es zu veröffentlichen. Damit soll der Entscheid für die Anschaffung von Satzcomputern nochmals infrage gestellt werden. Argumentiert wird wie schon in der «Computer für Nicaragua»-Debatte grundsätzlich gegen die Herrschaftstechnologie mit ihren Überwachungsfunktionen, samt den damit entstehenden Monopolfirmen und der weltweit verfestigten Arbeitsteilung.

Das sind angesichts der seitherigen Entwicklung berechtigte Kritikpunkte. Doch wenn es um die konkreten Arbeitsprozesse bei der WoZ geht, bleiben die Vorwürfe pauschal und wenig hilfreich. Mit der Anschaffung von Satzcomputern werde nicht nur der journalistische Arbeitsprozess der programmierten Maschine unterworfen, sondern auch die WoZ weiter zentralisiert, heisst es. In einem Alternativvorschlag wird der WoZ empfohlen, bei älteren Maschinen zu bleiben, die die Aktionsgruppe zur Verfügung stellen könne – geradezu rührend mutet es an, wenn betont wird, die ältere Maschine, die nur einen kleinen Speicher besitze und zum Beispiel keine Trennungen beherrsche, verlange von den SetzerInnen mehr Konzentration und entfremde deshalb bei der Arbeit nicht so sehr.

Das WoZ-Kollektiv sieht sich nicht nur zu einer grundsätzlichen Stellungnahme, sondern auch zu einer «Gegendarstellung» bezüglich der internen WoZ-Entscheidungsprozesse veranlasst. Betont wird, dass man sich der Widersprüche und Gefahren der neuen Technologien bewusst sei, doch versuche, sie in der Arbeitsweise des Kollektivs aufzuheben […]. Dann wird der Alternativvorschlag detailliert als schlechtere, in sich ebenfalls widersprüchliche Lösung zurückgewiesen.

Eine der strittigen Fragen dreht sich um die bisherige Arbeitsteilung zwischen SetzerInnen und JournalistInnen. In der Tendenz übertragen die Satzcomputer den JournalistInnen neue Aufgaben, erhöhen deren Arbeitsbelastung und gefährden zugleich Arbeitsplätze in der bisherigen Satzproduktion. Da die Satzarbeit in Erfassungspools eine eher monotone, zumeist von Frauen geleistete, unterdurchschnittlich entlöhnte Teilzeitarbeit darstellt, kann sie nicht wirklich als zukunftsweisend verteidigt werden.

Mit diesem Dilemma schlagen sich nicht nur Alternativbetriebe herum. Im «Tages-Anzeiger»-Konzern zum Beispiel existiert seit Ende 1985 eine intergewerkschaftliche Arbeitsgruppe, die aus Mitgliedern der Betriebsgruppen der JournalistInnengewerkschaft SJU und der Druckereigewerkschaft GDP besteht und der ich angehöre. Sie versucht, in einem «Betriebsvertrag Neue Technologien» die geplante Einführung neuer Satzcomputer nicht nur sozialverträglich abzufedern, sondern sie auch als Chance zu begreifen, herkömmliche Arbeitsteilungen im Interesse von SetzerInnen wie von JournalistInnen durchlässiger zu gestalten.

In der WoZ nehmen die VertreterInnen einer Minderheitsposition innerhalb des Kollektivs die Computerfrage Anfang 1986 zum Anlass, den angeblichen politischen Ausverkauf der Zeitung zu kritisieren. «Der ehemals linke Anspruch ist einem Denken in Marktkategorien gewichen. […] Wird der Markt als Sachzwang – damit Effizienz und Rationalisierung – akzeptiert, bedeutet das Unterwerfung und politische Einbindung in die kapitalistische Logik.»

Unterschrieben ist diese Kritik von Claudia Bislin, Dieter Drüssel, Roger Monnerat, Jan Morgenthaler, Claudia Roth, Res Strehle, Pipo Surber und Barbara Thurnheer. Was ein Problem anzeigt: Von den Unterschreibenden gehören zu diesem Zeitpunkt nur zwei – Pipo Surber und Roger Monnerat – dem WoZ-Kollektiv im engeren Sinne an. Andere Unterschreibende sind schon ausgetreten oder haben bloss gelegentlich in der WoZ publiziert. Gerade dies wird von der Minderheitsposition zum Thema gemacht: wer denn Anspruch auf Mitsprache bei der WoZ erheben kann. So wird der WoZ-Mehrheit vorgeworfen, die demokratische Mitwirkung von BewegungsaktivistInnen hintertrieben zu haben.

Mehr Sachverstand, bitte!

Die überwiegende Mehrheit des Kollektivs sieht den Konflikt fundamental anders. In einer Hausmitteilung wird die vorgetragene Kritik zurückgewiesen, und es wird bekräftigt, man sei immer noch «links, ungezogen, autonom – und nicht dogmatisch». Die Frage der Satzcomputer sei Ausdruck eines grösseren Linienstreits um die WoZ. Eine kleine Minderheit habe sich immer mehr «ideologisch verengt und personell abgekapselt». Diese «Fraktion» habe seit letztem Herbst mit Genossinnen und Genossen regelmässig Sitzungen abgehalten, um ihre Themen in die WoZ einzubringen. Statt zu diskutieren, seien dabei «Intrigen» angezettelt und gezielt SympathisantInnen von aussen mobilisiert worden.

Zu dieser Mobilisierung gehört neben anderen radikalen Stellungnahmen und Anklagen auch der Leserbrief des Psychiaters Ralf Binswanger aus dem Umfeld des Komitees gegen Isolationshaft. Eine Mehrheit der sich schriftlich zu Wort Meldenden empfiehlt der WoZ allerdings, die radikale Strömung zu ignorieren und sich aufs Machen einer guten, lesbaren Zeitung zu konzentrieren. Da stehen die Satzcomputer bereits in der WoZ-Redaktion an der Kornhausstrasse 49 und werden von den ersten WoZ-Setzerinnen Daisy Sommer und Eveline Blaser bedient. Der Machtkampf ist entschieden. Anfang Juni kündigen vier Kollektivmitglieder gemeinsam: Agathe Bieri und Pipo Surber (Redaktion), Heinz Vogelsanger (Buchhaltung) und Inma Calvo (Administration).

Zwar wirft der Konflikt am Sommerseminar 1986 in Rigi-Kulm nochmals Wellen, mit unerquicklichen Diskussionen. Daisy Sommer, die in der Druckerei ihres Vaters in Zumikon ausgebildet wurde, erinnert sich mit Schaudern ans Niveau der damaligen Auseinandersetzungen. Manchmal griff sie auch zum Mittel, in fundamentalistischen LeserInnenbriefen mit einer «Anmerkung der Setzerin» mehr Sachverstand anzumahnen.

Die andere Mediengeschichte

«Links und bündig», das Buch zur WOZ-Geschichte, ist chronologisch aufgebaut: Es beginnt bei den Vorläufermedien der WOZ in den siebziger Jahren und ist nachgeführt bis Ende 2017. Autor Stefan Howald hat Dutzende von Gesprächen mit AkteurInnen geführt, sich durch Archive und andere Quellen gegraben, nicht zuletzt durch die dicken Sammelbände der WOZ.

Das Buch enthält eine grosse Fülle an Wissenswertem sowie an Bildern aus der eigentlichen WOZ-Geschichte und spannt immer wieder den Bogen zur allgemeinen Medienentwicklung und zur Zeit- und Ideengeschichte. Öffentlich relevante Themen, bei denen die WOZ wichtige Protagonistin war, werden ausführlich dargestellt; Stichworte sind etwa der Kulturboykott 1990 oder der Fall Grüninger. Auch eher «interne» Vorgänge wie die feminisierte WOZ erhalten breiten Raum.

Die WOZ hat das Entstehen des Buchs mitfinanziert und inhaltlich begleitet. Es war aber nie als Festschrift geplant, sondern als möglichst informativer, gut dokumentierter, (selbst)kritischer und nicht zuletzt leicht lesbarer Beitrag zur öffentlichen Diskussion. Das Buch ist im WOZ-Shop auf www.woz.ch/wozbuch erhältlich.

Stefan Howald: «Links und bündig. Eine alternative Mediengeschichte». Rotpunktverlag. Zürich 2018. 360 Seiten. 39 Franken.