«Pandora Papers»: Treu und Rauben in der Schweiz

Nr. 40 –

Tito Tettamanti gehört nicht zu den Menschen, die einfach nur Geld verdienen wollen. Viel lieber veredelt der Tessiner sein profanes Tun mit philosophischen Betrachtungen. In den Medien wird der Beinahe-Milliardär deshalb gerne als Financier bezeichnet, nicht etwa als Spekulant. Das klingt weihevoller. Überhaupt weiss der 91-Jährige, wie wichtig Medien sind, damit die Welt so rechtslibertär wird, wie er sie sich in seinem Anwesen über dem Luganersee ausdenkt. Roger Köppel hat er die «Weltwoche» einst als Billigangebot überlassen, bei der «Basler Zeitung» ermöglichte er Markus Somm als Chefredaktor. Die rechten Medien dürften heute ganz nach Tettamantis Geschmack sein: Sie ergehen sich vornehmlich in Meinungen und Monologen.

Zum Glück gibt es auch noch Medien, die recherchieren. Diese Woche dokumentierte das Internationale Konsortium Investigativer Journalist:innen (ICIJ) mit den «Pandora Papers» das lukrative Geschäft mit Steuervermeidung und Geldwäscherei. Die geleakten Daten stammen aus Steueroasen in der Karibik. Doch ihre Spuren führen auch zu zahlreichen Adressen von Anwaltskanzleien und Treuhandbüros in der Schweiz. So auch an die Via Maggio 1 in Lugano, in einen Bau von Stararchitekt Mario Botta, in dem die Treuhandgesellschaft Fidinam ihren Hauptsitz hat. Gegründet hat Fidinam 1960 Tito Tettamanti, bis heute amtet er als ihr Ehrenpräsident, auch der wohltätigen Fidinam-Stiftung steht er vor.

Gemäss den Pandora-Recherchen, die in der Schweiz von den Tamedia-Zeitungen veröffentlicht wurden, betreute Fidinam fünf Firmen von Paulo Roberto Costa. Der Direktor von Brasiliens halbstaatlichem Ölkonzern Petrobras, mittlerweile rechtskräftig verurteilt, hielt 23 Millionen US-Dollar an Korruptionszahlungen in der Schweiz versteckt. Aufgrund der aktuellen Gesetzeslage hat sich Fidinam dabei nichts zuschulden kommen lassen: Anwältinnen und Treuhänder müssen keine Sorgfaltspflichten bezüglich Geldwäscherei einhalten, wenn sie nur beratend tätig sind. Dies im Gegensatz zu den Banken, die verpflichtet sind, Verdachtsmomente zu melden.

Dass die Lücke für die Berater:innen nicht längst geschlossen wurde, hat die bürgerliche Mehrheit im Parlament zu verantworten. Unter gütiger Mithilfe der Mitte-Partei verhinderte sie diesen Frühling eine Ausweitung der Geldwäschereiregeln auf Anwälte und Treuhänderinnen. Beat Rieder, Anwalt und Mitte-Ständerat aus dem Wallis, damals im O-Ton: «Es ist nicht einzusehen, weshalb wir unser quasi lückendichtes Regulierungsmodell verlassen sollten.» Die SP plant nach den jüngsten Enthüllungen, einen Vorstoss im Parlament zu lancieren, um das Geldwäschereigesetz nachzubessern, auch die Grünen wollen tätig werden. Selbst die Banken signalisieren Unterstützung, weil der zweifelhafte Ruf der Berater:innen auf sie zurückfällt.

Wie gross die Dimension der Schattenindustrie in der Schweiz ist, zeigte diese Woche auch eine Studie der NGO Public Eye. Demnach betreiben die Schweizer Berater:innen nicht nur in exotischen Inselwelten lukrative Scheinfirmen. Allein in den Kantonen Genf, Zug, Freiburg und Tessin zählt Public Eye rund 33 000 Briefkastenfirmen.

Eine verstärkte Aufsicht über sie ist wichtig. Noch wichtiger ist es aber, den eigentlichen Geschäftszweck von Offshore-Konstruktionen zu unterbinden: Sie dienen einzig dazu, den wirtschaftlichen Nutzniesser von Vermögenstransfers zu verschleiern. Die EU hat deshalb im letzten Jahr ihre Mitgliedstaaten verpflichtet, ein Transparenzregister der wirtschaftlichen Berechtigten von Firmen einzuführen. Der Druck auf die Schweiz wird steigen, ebenfalls ein solches Register zu schaffen. Man kann vorsichtig optimistisch sein, dass sie sich am Ende bewegt, wie sie es schon beim Bankgeheimnis oder den Holdingprivilegien tat.

Denn in der Steuerpolitik und im Umgang mit Steuerflucht und Geldwäscherei stehen die Zeichen auf eine stärkere internationale Regulierung. Finanzpatrioten wie Tito Tettamanti wird das nicht freuen. Wohl aber einen beträchtlichen Teil der Weltbevölkerung. Schliesslich haben die Offshore-Konstruktionen nur ein Ziel: den Diebstahl der Superreichen zu verbergen.