Airbnb-Abstimmung: Machts Luzern wie Berlin?

Nr. 9 –

Ganze Wohnhäuser, die touristisch umgenutzt werden: In Zeiten der Wohnungsnot stösst das Prinzip Airbnb zunehmend auf Widerstand. Die Stadt Luzern stimmt nun über strenge Reglementierungen ab.

 Wohnblocks an der Gibraltartstrasse in Luzern
Vor den Wohnblocks sind Parkplätze für Tourist:innen reserviert: 23 Wohnungen in der Luzerner Gibraltarstrasse werden über Airbnb vermietet.


Die Wohnblöcke an der Gibraltarstrasse 13 und 15 in Luzern sind unscheinbar. Doch dass die SP hier eine Stadtführung startet, hat einen Grund: Die Gibraltarstrasse ist ein Beispiel dafür, inwieweit die ursprüngliche Idee hinter Airbnb – das Teilen von Wohnraum durch Privatpersonen – inzwischen pervertiert ist. Rund ein Drittel aller Airbnb-Angebote in der Schweiz kommen aktuell von kommerziellen Anbieter:innen, die mehrere Immobilien besitzen.

Eigentümerin der beiden Immobilien an der Gibraltarstrasse ist eine Zürcher Immobilienfirma mit Ableger in Luzern. Sie vermietet hier unter dem Namen «Galaxy Apartments» und dem Werbespruch «just 1.8 km from Chapel Bridge» Apartments in verschiedensten Grössen. Eine Übernachtung für zwei Personen kostet ab 105 Franken. 23 der insgesamt 52 Wohnungen werden bereits an Tourist:innen vermietet; an der SP-Führung taucht auch ein Mieter:innenpaar aus der Nummer 13 auf. Es finde kein Nachbarschaftsleben mehr statt, beklagen sie. Lärm und Dreck hätten zugenommen.

Der Tourismus kehrt nach der Pandemie langsam wieder nach Luzern zurück, seine Auswüchse aber werden nun kontrovers diskutiert: Die Stadt stimmt am 12. März über eine von der SP, dem Mieterverband und dem Hauseigentümerverband Casafair lancierte Initiative ab, die das kommerzielle Geschäft mit Kurzzeitvermietungen stark einschränken will. Die «Airbnb-Initiative» zielt in erster Linie auf die US-Plattform ab, die einst als Sharing-Economy-Projekt gegründet wurde und mittlerweile zur Goldgrube für Immobilienfirmen verkommen ist.

Doch auch Vermieter:innen, die ihre Objekte über ähnliche Buchungsplattformen anbieten, wären betroffen: Die Initiant:innen wollen generell verbieten, dass ganze Wohnungen mehr als neunzig Tage im Jahr an Kurzaufenthalter:innen vermietet werden – womit das Geschäft über Buchungsplattformen für Immobilienfirmen nicht mehr lohnenswert wäre. Zeitlich uneingeschränkt erlaubt wäre mit Annahme der Initiative nur noch das Vermieten von einzelnen Zimmern.

Kontroversen im Stadtparlament

Die Initiative sorgt in der Luzerner Politik für hitzige Kontroversen: Die Grünen unterstützen sie nicht. Die Partei hatte sich im Stadtparlament von der SP distanziert und sich mit der GLP für einen Gegenvorschlag der Stadtregierung eingesetzt, der nun auch von Mitte-Partei, FDP und SVP unterstützt wird. Die SP-Initiative sei zu extrem, meint Elias Steiner, Vorstandsmitglied der Stadtluzerner Grünen auf Anfrage. Man wolle das Geschäft mit den Ferienwohnungen nicht ganz verbieten; auch weil es längere Aufenthalte fördere «und damit einen ökologischeren Tourismus als das in Luzern verbreitete Carhopping».

Im Gegensatz zur Initiative will der Gegenvorschlag eine Quotenregelung: In der Innenstadt sollen weiterhin 1,5 Prozent der Wohnungen als kommerzielle Ferienwohnungen vermietet werden dürfen, in den Aussenquartieren 1 Prozent. Derzeit werden in Luzern von 45 000 Wohnungen 330 über Buchungsplattformen vermietet. Bei Annahme des Gegenvorschlages wäre ein Wachstum auf gut 600 Wohnungen möglich.

«Dieses Wachstum ist uns ein Dorn im Auge», sagt Mario Stübi, SP-Stadtparlamentarier und Präsident des Luzerner Mieterverbands, auf der Airbnb-Führung. Es gelte einzugreifen, bevor der soziale Frieden gestört sei. «Ausserdem würde der Gegenvorschlag nichts an der Kommerzialisierung der Sharing-Economy ändern.» Die Grünen sind trotz des Parlamentsentscheids für den Gegenvorschlag heute gespalten: Die Jungen Grünen unterstützen die Initiative, die Mutterpartei hat an der Mitgliederversammlung ein Ja für den Gegenvorschlag und Stimmfreigabe für die Initiative beschlossen.

Signalwirkung für die Schweiz

Die Luzerner Initiative orientiert sich an europäischen Städten wie Berlin, Amsterdam oder Barcelona, die teils noch strengere Auflagen gegenüber Airbnb beschlossen haben. Konkretes Vorbild ist jedoch der Kanton Genf, wo bereits seit 2018 die Neunzigtageregel gilt. Zwar ist die Situation in Schweizer Städten längst nicht so prekär wie in vielen Grossstädten, wo Airbnb teilweise ganze Quartiere entvölkert hat. Doch die angespannte Lage auf dem Wohnungsmarkt mit einer durchschnittlichen Leerwohnungsziffer von 1,3 Prozent dürfte der Luzerner Initiative Auftrieb verleihen.

Dass die Mietfrage auch in der Deutschschweiz mobilisiert und Airbnb als Problemfaktor wahrgenommen wird, zeigte im Februar eine Abstimmung in Bern, wo die Stimmbevölkerung mit über achtzig Prozent einer zeitlichen Begrenzung von Wohnungsvermietungen in der Altstadt zugestimmt hat – allerdings mit einer grosszügigen Besitzstandgarantie für aktuelle Vermieter:innen.

Zürich, wo der Leerwohnungsbestand mit 0,07 Prozent schweizweit am niedrigsten ist, blickt derzeit gespannt nach Luzern. Die Stadt hat erst vor kurzem die von links hart erkämpfte Regelung eingeführt, dass Airbnb-Wohnungen nicht dem gesetzlichen Mindestanteil an Wohnraum angerechnet werden dürfen. Das bringe einen Regulierungseffekt, sagt Oliver Heimgartner, Präsident der städtischen SP. Doch brauche es auch in Zürich härtere Massnahmen. «Die Abstimmung in Luzern wird eine Signalwirkung haben.»