Fotoausstellung «Mitgenommen»: Flüchtlinge und Gegenstände, die sie aus ihrer Heimat mitgebracht haben.

  • Ein Flüchtling aus Tibet: «Ich bin 52 Jahre alt. In dem roten Stoffsäckchen ist ein heiliges Papier – der Dalai Lama hat es angehaucht. Es beschützt mich vor bösen Geistern. In der schwarzen Kugel befindet sich tibetische Medizin, sie sorgt für guten Schlaf.»
  • Ein Flüchtling aus Eritrea: «Ich bin 27. Als ich 8 Jahre alt war, war ich mit meiner Mutter in Israel, dort hat sie mir dieses Kreuz geschenkt. Ich bin gar nicht religiös, aber ich trage es immer, weil es mich an sie erinnert, sie ist gestorben. Ich habe es schon mehrmals verloren, und es wurde mir auch schon gestohlen. Aber es kam immer irgendwie wieder zu mir zurück.»
  • Becky, Flüchtling aus Nigeria: «Ich bin 31 Jahre alt und seit sieben Monaten in der Schweiz. Ich lese jeden Tag in der ‹Rhapsody of Realities›, dann bin ich glücklich. Jeden Monat erscheint ein neues dieser Büchlein, ich lese sie schon, seit ich sechs Jahre alt bin. Es ist das Wort Gottes, und ich fühle mich gesegnet, wenn ich darin lese.»
  • Amir, ein Flüchtling aus Nigeria: «Diese silberne Halskette habe ich vor drei Jahren geschenkt bekommen. Der Schriftzug ist ‹Allah›, das ist arabisch für ‹Gott›».
  • Pashaee, ein Flüchtling aus Iran: «Ich bin 26 und seit einem Jahr in der Schweiz. Das hier ist das Hochzeitskleid meiner Mutter, sie hat es mir geschenkt, als ich wegging. Als sie heiratete, war sie 15 oder 16, sie konnte ihren Mann nicht selbst auswählen. Meine Eltern sind noch immer zusammen. Als älteste Schwester bekam ich das Kleid und die Tasche. Meine jüngeren Schwestern haben die Ohrringe und die Schuhe.»
  • Dolkar, ein Flüchtling aus Tibet: «Ich bin 34 Jahre alt und seit sechs Monaten in der Schweiz. Diese Amulette hat mir mein Vater geschenkt. Ich trage sie immer, weil sie mich vor Krankheiten und Unfällen beschützen.»
  • Ein Flüchtling aus dem Iran: «Ich bin 37 und seit drei Jahren in der Schweiz. Der Anhänger ist aus Gold, meine Mutter hat ihn mir vor über zwanzig Jahren geschenkt. Das Symbol kommt aus dem Zoroastrismus und ist schon 3000 Jahre alt. Es steht für gute Worte, gute Gedanken und gute Taten. Wenn man sich daran hält, wird die ganze Welt gut.»
  • Fermesk, geflüchtet aus dem Irak: «Ich bin 23 und seit zehn Monaten in der Schweiz. Dieses Kleid liess ich mir schneidern, kurz bevor ich mein Land verliess. Der Unterrock –‹Sardalnk› auf Kurdisch – ist aus demselben Stoff wie das Gilet, das ‹Qutek› genannt wird. Oben trage ich einen silbrigen Stoff darunter. Das Kleid hat keine spezielle Bedeutung, es gefällt mir einfach. Die Brosche trage ich nur zu diesem Kleid.»
  • Geflüchtet aus Somalia: «Ich bin vierzehn und seit vier Jahren in der Schweiz. Ich bin über Kenia aus Somalia in die Schweiz gekommen und konnte überhaupt nichts mitnehmen.»
  • Juba oder Outhou Hamid, ein Flüchtling: «Ich bin 22, seit einem Jahr in der Schweiz. Ich habe zwei Namen, in meinem Pass steht ‹Outhou Hamid›, bei den Berbern heisse ich ‹Juba›. Ich wurde in einer Höhle in der Sahara geboren. Meine Mutter kommt aus Mali, mein Vater aus Marokko. Ich bin Berber und möchte mich keinem Land zuordnen. Der Tarzid, den ich trage, ist aus Baumwolle, meine Mutter hat ihn mit Safran gefärbt.»
  • Ein Flüchtling aus Tunesien: «Ich bin 48 und seit acht Jahren in der Schweiz. Der Ring ist aus Weissgold, meine Schwester hat ihn mir geschenkt, er bedeutet mir wirklich sehr viel. Das bestickte Kleid habe ich mir selbst gekauft.»
  • Jamyang, geflüchtet aus Tibet: «Ich bin 27 und seit sieben Monaten in der Schweiz. In dem Säckchen ist Tsampa. Tsampa wird aus gemahlenem Mehl, Zucker, Butter und Kuhkäse gemacht. Die Herstellung ist aufwendig, eine Freundin hat es mir aus Tibet gebracht. Alle Tibeter essen es, weil der Dalai Lama es isst. Tsampa wird roh gegessen. Wenn wir krank sind, essen wir Tsampa, dann werden wir wieder gesund.»
  • Geflüchtet aus Kamerun: «Ich bin 25 und seit vier Jahren in der Schweiz. Die Armbänder hat mir ein Freund vor zwei Jahren aus Togo mitgebracht. Sie sind aus Leder, die Symbole sind in Holzstücke geschnitzt. Der Elefant ist ein Symbol für Stärke, der Fisch steht für ein gutes Leben.»
  • Geflüchtet aus Afghanistan: «Ich bin 28 und seit drei Jahren in der Schweiz. Den Anhänger haben mir meine Eltern geschenkt, als ich 13 Jahre alt war. Im oberen Teil steht der arabische Buchstabe A, für Ali. Ali ist ein Imam, der Schwiegersohn des Propheten Mohammed. Der grüne Stein heisst auf Farsi ‹Fieruse›. Das unten dran ist ein Schwert.»
  • Remedan, geflüchtet aus Äthiopien: «Ich bin dreissig, Äthiopien habe ich vor zehn Jahren verlassen. Meine Frau heisst Khadiya, mein ältester Sohn heisst Muhammad und ist sieben, Hasan ist sechs. Meine Tochter heisst Muna, sie ist ein Jahr alt. Ich habe meine Familie schon länger nicht mehr gesehen. Sie leben nun alle in Saudi-Arabien. Weil ich keine Papiere habe, kann ich sie nicht besuchen, aber ab und zu telefonieren wir.»
  • Princewell, geflüchtet aus Nigeria: «Ich bin 34. Vor zwei Jahren habe ich Nigeria verlassen und ging zuerst nach England. Seit einem halben Jahr bin ich jetzt in der Schweiz. In Nigeria tragen alle Leute Armreife. Ich habe die nicht so gern, deswegen trage ich an jedem Arm eine Uhr.»
  • Grien, geflüchtet aus dem Irak: «Ich bin 23 und seit fünf Monaten in der Schweiz. Dieses Kleid habe ich für mich im Irak nähen lassen, kurz bevor ich mein Land verliess. Die langen Ärmel sehen beim Tanzen besonders schön aus.»
  • Leo, geflüchtet aus Kolumbien: «Ich bin 45 und seit einem Jahr hier. Diese alte Pesomünze ist jetzt ein Amulett. Ein Freund hat sie mir mir vor 25 Jahren geschenkt. Damals haben wir das kleine Loch in die Münze gemacht. So konnten wir sie in das Münztelefon werfen und sie an einer Schnur wieder herausziehen. Auf der einen Seite ist Simón Bolívar zu sehen, auf der anderen Maiskolben, das Symbol für Fülle.»
  • Mushtaq, geflüchtet aus Afghanistan: «Ich bin 22 und seit zwei Jahren in der Schweiz. Das handgestickte Tuch ist zum Reinigen des Gesichts. Meine Familie hat es mir mitgegeben. Es ist aus Baumwolle und handbestickt, die meisten Tücher sind weiss, weil das für Sauberkeit steht. Erwachsene haben quadratische Tücher, die der Kinder sind meist dreieckig.»
  • Geflüchtet aus Äthiopien: «Ich bin 23 und seit zwei Jahren in der Schweiz. Ich bin orthodoxer Christ, und die Religion ist sehr wichtig für mich. Deswegen habe ich aus meiner Heimat dieses Kreuz mitgebracht. Es ist aus Metall, das Band ist aus Leder.»
  • Geflüchtet aus Syrien: «Ich bin 32 und seit einem Jahr in der Schweiz. Dieses Gewand tragen wir Kurden schon seit vielen Tausend Jahren an unseren Festen. In Syrien ist es verboten, wir können es nur heimlich tragen. Die Kopfbedeckung, auf Kurdisch ‹Desmal›, ist immer rot-weiss. Der Hüftgürtel heisst ‹Schelema› und ist zwölf Meter lang, er kann verschiedene Farben haben.»
  • Almamo, geflüchtet aus Gambia: «Ich bin 26 Jahre alt und seit acht Monaten in der Schweiz. Diese Kette in den Farben der Flagge von Jamaika gefällt mir sehr, vor allem weil sie eng am Hals liegt, das ist zurzeit Mode. Ich habe sie selbst gemacht, das ist gar nicht so einfach. Ich habe dafür zwei, drei Stunden gebraucht, ein Freund hat mir gezeigt, wie es geht. Die Perlen sind aus Plastik.»
  • Augustin, geflüchtet aus Algerien: «Ich bin 27 und seit fast zwei Jahren in der Schweiz. Der Anhänger zeigt das Symbol der Kabylei. Es symbolisiert meine Kultur und meine Heimat im Norden Algeriens. Der Anhänger ist aus Gold, die Kette aus Silber. Mein Bruder hat mir den Anhänger vor sechs Jahren geschenkt.»
  • Dorjee, geflüchtet aus Tibet: «Ich bin 20 Jahre alt und seit sieben Monaten in der Schweiz. Dieser Geldbeutel – in Tibet heisst er ‹Bagu› – gefällt mir sehr, vor allem wegen der schönen Stickerei. Viele Tibeter haben einen solchen Bagu, ich habe meinen vor ungefähr drei Jahren gekauft.»
  • Aziz, geflüchtet aus dem Iran: «Ich bin 29 und seit über einem Jahr in der Schweiz. Diesen Ring habe ich von einem guten Freund bekommen, er ist jetzt im Iran und wird wohl aus politischen Gründen hingerichtet. Der Ring ist mir sehr wichtig, es ist, als ob mir mein Freund ein Leben anvertraut hätte. Er ist handgemacht und aus Silber. Das Doppelschwert steht für Ali Ibn Abi Talib, den wir Aleviten als ersten Imam verehren.»
  • Abukar, geflüchtet aus Somalia: «Ich bin 27 und seit vier Jahren in der Schweiz. Diese muslimische Gebetskette habe ich schon ganz lange, ich habe sie mir selbst gekauft. Sie besteht aus 99 grünen Plastikperlen, damit bete ich fünfmal am Tag, immer ungefähr zehn Minuten.»
  • Karma, geflüchtet aus Tibet: «Ich bin 24 und seit sechs Monaten in der Schweiz. In dem Plastikanhänger ist ein Foto des Dalai Lama, es schützt mich vor Krankheiten. Mein Vater hat es mir vor vier Jahren geschenkt.»
  • Puspaleclavthy, geflüchtet aus Sri Lanka: «Ich bin 43 und seit 17 Jahren in der Schweiz. Den Ring mit dem «P» hat mir mein Vater geschenkt, als ich meine erste Periode bekam – das ist in Sri Lanka Tradition. Der Ring mit dem «J» war das Hochzeitsgeschenk meines Mannes, wir haben 1995 geheiratet. Die Ringe sind beide aus Gold.»
  • Gazi Nezam, geflüchtet aus Afghanistan: «Ich bin neunzehn Jahre alt und seit acht Monaten in der Schweiz. Der Anhänger, den ich trage, heisst bei uns ‹Thavis›. Ich habe ihn mir selbst gekauft, er ist aus Metall. Im Inneren ist ein Zettel, auf dem ‹Allah› steht.»
  • Seleshi, geflüchtet aus Äthiopien: «Ich bin 42 und seit einem Jahr in der Schweiz. Das Instrument heisst Kerar, es hat sechs Saiten, zwei davon haben den gleichen Ton. Ich habe es vor 24 Jahren einem Instrumentenbauer abgekauft. Manchmal spiele ich alleine, manchmal in einem Orchester, traditionell oder modern. Der Aufkleber zeigt die Flagge Äthiopiens.»
  • Yücel, geflüchtet aus der Türkei: «Ich bin 39 Jahre alt und seit neun Monaten in der Schweiz. Dieser Anhänger ist einem Stempel aus dem Osmanischen Reich nachempfunden. Ein Freund hat mir die Kette geschenkt, kurz bevor ich in die Schweiz gekommen bin. Sie bedeutet mir sehr viel.»
  • Farshad, geflüchtet aus dem Iran: «Ich bin 25 und seit bald vier Jahren in der Schweiz. Meine Mutter hat mir diesen goldigen Anhänger geschickt, es ist das Symbol des Furuhar. In unserer Kultur hat es acht verschiedene Bedeutungen.»
  • Baran, geflüchtet aus Syrien: «Ich bin 21 Jahre alt und seit etwas über einem Jahr in der Schweiz. Auf dem Schlüsselanhänger ist die kurdische Flagge zu sehen, das Symbol ist mir sehr wichtig. Die Sonne hat 21 Strahlen, weil am 21. März Newroz ist, das Fest der Kurden. Wenn wir Kurden diese Flagge zeigen, bekommen wir immer Probleme. Ich habe keinen Schlüssel am Anhänger, weil ich möchte, dass er schön bleibt.»
  • Tasch, geflüchtet aus der Türkei: «Ich bin 56 Jahre alt und seit dreizehn Jahren in der Schweiz. Diese Armbänder habe ich mir in der Türkei gekauft. Sie sind aus fünfzehn Karat Gold. Die Steine sind aber nicht echt. Die Armbänder bedeuten mir sehr viel.»
  • Adham, geflüchtet aus Syrien: «Ich bin 45 Jahre alt und seit einem Jahr in der Schweiz. Diese Friedenstaube habe ich mir vor fünfzehn Jahren tätowieren lassen, als ich Liebeskummer hatte. Das rote Herz steht für meine Geliebte. Viele Kurden haben Tätowierungen, das ist bei uns nichts Aussergewöhnliches.»

Jeweils auf der letzten Seite der Zeitung rückte WOZ-Fotografin Ursula Häne 2012 während 35 Wochen Flüchtlinge ins Bild. Oder genauer: ihre Hände und einen Gegenstand, den sie aus ihrer Heimat mitgebracht haben. Die Menschen und ihre zum Teil dramatischen Geschichten erhielten so eine Präsenz, die sie sonst in der öffentlichen Wahrnehmung nur selten haben.

Ausstellungsdaten:
Momentan finden keine Ausstellungen statt.