Rechte Ökumene in den USA: Kann denn Wählen Sünde sein?

Wieso gewisse Bischöfe den evangelikalen George Bush unterstützen und John-Kerry-AnhängerInnen die Kommunion verweigern.

In den USA, wo die meisten BürgerInnen gleichermassen inbrünstig an Gott und das Vaterland glauben, kommt es oft vor, dass Kirche und Staat – oder Religion und Politik – zwar nominell getrennt, aber ideologisch vereint marschieren. Der evangelikal wiedergeborene George Bush etwa erfüllt als demokratisch nicht ganz gewählter Präsident eine vorab göttliche Mission und verspricht Dinge wie Arbeit für alle in den USA und Frieden im Irak – also den Himmel auf Erden.

Nun erhält er Unterstützung von der andern Seite des ökumenischen Schützengrabens. Mit der Verdammnis der Hölle droht Bischof Michael Sheridan aus der 125 000-Seelen-Diözese Colorado Springs nämlich denjenigen Schäfchen, die einen Politiker unterstützen, der bei der Auslegung und Ausübung der katholischen Glaubenslehre nicht päpstlicher ist als der heutige Papst. Das heisst: Wer den demokratischen Katholiken John Kerry wählt und nicht den republikanischen Protestanten George Bush, begeht laut Sheridan eine so schwere Sünde, dass er von der heiligen Kommunion ausgeschlossen werden muss.

Konservative Bischöfe sind in den USA nichts Neues. In den sechziger Jahren beispielsweise amtete Kardinal Francis Spellmann in New York als fanatischer Befürworter des Vietnamkrieges und ebenso vehementer Gegner der Bürgerrechtsbewegung; regelmässig suspendierte er Priester, unter ihnen den Schweizer Al Imfeld (siehe das Interview daz u), die sich mit so subversiven Elementen wie Martin Luther King einliessen. Neueren Datums ist jedoch die Verbindung von konservativen KatholikInnen und konservativen Evangelikalen.

1960, als der Katholik und Demokrat John F. Kennedy zum Präsidenten gewählt wurde, warnten die evangelikal-protestantischen Führer ihre Gemeinden noch vor dem Antichristen im Weissen Haus. Heute kämpfen sie zusammen mit katholischen Gleichgesinnten gegen John Kerry, den Säkularismus und den Zerfall der absoluten Werte sowie – auf der mehr alltagspolitischen Ebene – für die staatliche Subventionierung (via Bildungsgutscheine) ihrer jeweiligen religiösen Privatschulen. Noch vor kurzem offen vatikanfeindliche evangelikale Kreise haben die Ja-zum-Leben-Doktrin von Johannes Paul II. übernommen; dieser Papst ist bei ihnen so populär wie der Fernsehprediger Pat Robertson. Der traditionelle Katholik Mel Gibson revanchiert sich galant für solch konfessionsüberspannende Gunst. Er zeigte seinen gewaltigen Kassenschlager «Die Passion Christi» zuerst in evangelikalen Grosskirchen, mit professioneller Unterstützung der PR-Abteilung von Prediger Billy Graham.

Die ostentative Verbrüderung kommt nicht von ungefähr. Als grösste fundamentalistische Kraft in den USA betreiben die Evangelikalen seit den achtziger Jahren eine systematische Bündnispolitik nicht nur mit konservativen katholischen, sondern auch mit konservativen jüdischen Vereinigungen. Zusammen will die Koalition der moralisch Willigen den gemeinsamen Erzfeind, die «Hypermodernität», mit ihrem Relativismus und Individualismus bekämpfen – und zwar konkret, politisch, in der Gegenwart. Dafür ist man bereit, über Differenzen in der Endzeitoffenbarung vorläufig hinwegzusehen. Der katholische Geistliche John Neuhaus, einer der prominenten Bündnisstifter, gesteht: «In der evangelikalen Kultur gibt es vieles, was mir gegen den Strich geht – die vermessene Behauptung, wiedergeboren zu sein, die erzwungene Fröhlichkeit und Freude, die fürchterliche Musik.» Aber, fährt er fort, auf dem Spiel stehe die religiöse Erneuerung der US-Gesellschaft.

Bereits bei der Präsidentenwahl 2000 hatten die KatholikInnen, die traditionellerweise einen festen demokratischen Block bildeten, erstaunlich zahlreich für den republikanischen Kandidaten gestimmt. Damals wie heute geht es um vier römisch-katholische Grundwerte beziehungsweise Verbote, die Bischof Sheridan nun mit allen Mitteln durchsetzen will: keinen Schwangerschaftsabbruch, keine Stammzellenforschung an Embryos, keine Sterbehilfe und keine Heirat für gleichgeschlechtliche Paare. Das Programm könnte von George Bush persönlich stammen.

Allerdings interpretiert der Papst in Rom das Recht auf Leben ganzheitlicher, man könnte fast sagen demokratischer, als die RepublikanerInnen in den USA: Er ist nicht bloss gegen die Abtreibung, sondern auch gegen Krieg und Todesstrafe sowie für soziale Gerechtigkeit. Auf diesen Sachverhalt haben unter anderem dutzende von katholischen Kongressabgeordneten der Demokratischen Partei hingewiesen, die in einem Brief gegen die Verpolitisierung der heiligen Kommunion protestierten. Müsste das Sakrament konsequenterweise auch Bush-WählerInnen vorenthalten werden? Kann denn Wählen überhaupt Sünde sein?

Ric Kethcart, ein reicher und prominenter Gönner der Erzdiözese von Colorado Springs, spendet sein Geld bis auf weiteres anderen guten Zwecken und sagt, dieser Rückfall in die doktrinäre Lehre schade der katholischen Kirche in den USA mehr als der ganze Skandal um die pädophilen Priester. In einem offenen Brief an Bischof Sheridan schreibt er: «Das Kommunionsverbot erinnert mich an die McCarthy-Ära der fünfziger Jahre, an die Inquisition und an die allgemein sehr gemischte Geschichte dieser Kirche, die regelmässig vergisst, dass der Wille ihrer Mitglieder nicht in "korrekte Bahnen" geprügelt werden kann, sondern dass die Mitglieder frei entscheiden sollen, als ein Akt der Liebe, nicht der Furcht.»