USA–Irak: Ex-Waffeninspektor Scott Ritter gegen George W. Bush: Der Druck wird wachsen

Nach der Uno-Resolution vom letzten Freitag bereiten sich nun Waffeninspektoren auf ihre Reise in den Irak vor. Aber können sie sich der Einflussnahme aus Washington entziehen?

WoZ: Herr Ritter, Sie haben sich vom US-Marine und Uno-Waffeninspektor in einen Gegner eines neuen Irak-Krieges gewandelt. Sind Sie jetzt Antiamerikaner?
Gott, nein, ich liebe mein Land und alles, wofür es eintritt. Die gleichen Prinzipien, die mich früher als Offizier der Marines geleitet haben – Integrität, Pflicht, Ehre, Heimatliebe –, leiten mich auch heute. Als Waffeninspektor habe ich nichts getan, was sich gegen Amerika gerichtet hat. Die damalige Regierungslinie war, den Irak zu entwaffnen.

Aber jetzt wenden Sie sich gegen Ihre Regierung?
Ich bin gegen die Politik der Bush-Regierung – nicht weil ich gegen, sondern weil ich für Amerika bin. Die Politik der derzeitigen Regierung widerspricht dem Völkerrecht. Das Patriotischste, was ich derzeit tun kann, ist, mich gegen diesen Krieg auszusprechen. Denn dieser Krieg ist antiamerikanisch.

Aber soll er nicht die USA vor dem internationalen Terror und Massenvernichtungswaffen schützen?
Dann müssen sie das beweisen. Was für Massenvernichtungswaffen? Wer hat sie? Wo sind sie? Der Irak hat gesagt, die Inspektoren könnten zurückkehren. Und was den internationalen Terrorismus betrifft: Es war nicht Saddam Hussein, der uns am 11. September 2001 angegriffen hat. Saddam Hussein hat keine Verbindungen zu al-Kaida, das ist ein Fakt. Je weiter Sie graben, desto mehr finden Sie heraus, dass es nicht um Terrorismus geht, nicht um Massenvernichtungswaffen.

Worum dann?
Um nackte Aggression. Als Amerikaner kann ich es nicht zulassen, dass meine Regierung für etwas steht, das wir vor 226 Jahren bekämpft haben, als wir uns vom britischen Imperialismus befreiten. Ich will nicht Teil einer amerikanischen imperialistischen Macht werden.

Sie haben im September den Irak besucht. Wozu?
Um einen Präventivschlag gegen Präsident Bush zu landen, der sich am 8. September mit Tony Blair im texanischen Crawford traf, wo sie einen Kriegsrat abhalten wollten. Das war ein Sonntag. Sonntagmorgens gibt es im amerikanischen Fernsehen immer Talkshows, und es war abzusehen, dass die mit Vertretern der Bush-Regierung überflutet werden würden. Es war die Zeit des Jahrestages der Angriffe vom 11. September. Und Bush sollte am 12. September seine Rede vor den Vereinten Nationen halten. Meine Sorge war, dass sie diese dichte Terminfolge nutzen würden. Also fuhr ich in den Irak und hielt eine Rede vor der irakischen Nationalversammlung. Das war genau richtig, die Medien konnten mich nicht ignorieren, und plötzlich bestimmte ich die Nachrichten an diesem 8. September. Sie mussten sich mit mir auseinander setzen, meine Stimme wurde gehört.

Was haben Sie in Bagdad gesagt?
Ein Ziel meines Besuches war, die irakische Regierung davon zu überzeugen, dass sie die Inspektoren ohne Vorbedingung wieder arbeiten lassen muss, um Bush die Rechtfertigung für einen Krieg zu nehmen. Fünf Tage nachdem ich den Irak verlassen hatte, erklärte die irakische Regierung, sie würde die Waffeninspektoren wieder ins Land lassen, ohne Vorbedingungen. Ob ich dazu beigetragen habe, weiss ich nicht. Aber die Tatsache, dass wir heute noch immer über die Rückkehr der Inspektoren sprechen und nicht schon Krieg haben, ist schon eine Art Sieg. Ob die Mächte, die den Krieg wollen, viel länger aufgehalten werden können, müssen wir abwarten.

Glauben Sie, dass der Chef der Uno-Waffeninspektoren, Hans Blix, im Irak arbeiten kann?
Für die Inspektoren sind zwei Dinge wichtig. Das eine ist die volle Bereitschaft zur Zusammenarbeit seitens der irakischen Regierung. Der Irak muss einsehen, dass es keine weitere Chance geben wird. Das andere ist, dass sie für den Sicherheitsrat und nicht die USA arbeiten müssen. Unglücklicherweise wurden die Inspektoren in der Vergangenheit von den USA benutzt; sie sollten Informationen über Saddam Hussein sammeln. Es wurden Provokationen lanciert, um Militärschläge auszulösen. Das ist inakzeptabel.

Es wird an den Irakern und an der amerikanischen Regierung liegen, ob die Inspektoren dieses Mal erfolgreich arbeiten können. Hans Blix kann die irakische Regierung nicht kontrollieren, aber er kann Nein sagen, wenn die USA ihn drängen, die Inspektionen zu manipulieren. In den letzten Wochen aber hat Blix einige beunruhigende Dinge getan.

Was hat Sie beunruhigt?
Zunächst sagte er, die Inspektoren könnten am 19. Oktober wieder an die Arbeit gehen. Dann haben sich die USA eingemischt: Die Inspektoren würden nicht zurückkehren, bevor eine neue Resolution da sei. Warum hat Hans Blix dem zugestimmt? Für wen arbeitet er? Für den Sicherheitsrat oder für die USA? Hans Blix tendiert dazu, sich amerikanischem Druck zu beugen, und die Folge ist, dass die Inspektoren bis heute nicht in den Irak zurückgekehrt sind. Dieser Druck wird wachsen. Dagegen muss er sich wehren. Die Möglichkeit, dass die Inspektoren benutzt werden, um eine Krise herbeizuführen und den USA die Möglichkeit zu geben, einen Krieg zu beginnen, ist sehr gross.

Sie haben kürzlich die Idee eines «ehrlichen Vermittlers» ins Spiel gebracht.
Ein «ehrlicher Vermittler» sollte zwischen den Inspektoren und der irakischen Regierung vermitteln. Die Inspektoren betrachten die Irakis als Betrüger und Lügner. Und die sehen in den Inspektoren Schwindler und Spione. Beide Seiten haben ihren Grund dafür. Um sie zusammenzubringen, braucht es einen vertrauensbildenden Mechanismus.

Und wer könnte das tun?
Kanada hat sich dazu bereit erklärt, auch Südafrika. Vielleicht sollte ein Land aus der EU dabei sein, Belgien zum Beispiel. Es geht darum, ein Land oder eine Gruppe von Ländern zu finden, die sich dem Völkerrecht, der Uno-Charta verpflichtet fühlen.

Kann der Krieg gegen den Irak noch verhindert werden?
Ich hoffe. Die Zeit wird knapp, die Lage ist sehr kritisch. Doch wenn die Inspektoren in den Irak zurückkehren und arbeiten können, ohne dass sich die irakische Regierung oder die US-Regierung einmischen, dann wird es für die USA schwierig, weiterhin einen Krieg zu propagieren.

Scott Ritters Buch «Krieg gegen den Irak» ist bei Kiepenheuer & Witsch, Köln, erschienen.