Liechtenstein: Eine Frage der Nähe

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Die Verbindungen der Fürstenbank LGT in die Schweiz sind vielfältig: Im Biedermeierschloss Freudenfels lässt man sich ausbilden, in Schwyz geschäftet man mit Pensionskassen, für das Kloster Einsiedeln spielt man den guten Geist.

Der Erzfeind aller deutschen SteuerfahnderInnen - die liechtensteinische Fürstenbank LGT - bildet im thurgauischen Eschenz Personal aus, das vor allem bundesrepublikanische Millionenvermögen am Fiskus vorbei in die zigtausend Familienstiftungen des Ländles einbringt. Dabei helfen japanische Kampfsportarten, ein buddhistischer Mönch und das lateinische Motto «Mens sana in corpore sano» (Ein gesunder Geist in einem gesunden Körper).

«Wir sind nicht für die Steuerhinterziehung verantwortlich», stellt LGT-Chairman, Prinz Philipp von und zu Liechtenstein, schon mal klar. Im Sommer 2005 sagte er in einem Interview des deutschen Wochenblatts «Die Zeit»: «Das Steuersystem in Deutschland ist unübersichtlich, undurchsichtig, unklar. Liegt das an uns? Nein. Ist es meine Aufgabe, Steuersünder aufzuspüren? Ebenfalls nein. Wir sind doch nicht die Polizei!» So die kurz gefasste Geschäftsethik des 62-jährigen Bruders des liechtensteinischen Landesfürsten Hans Adam II. Deutscher Geldadel ist die Passion des umtriebigen Blaublütigen, der als der gerissenste Banker im weit verzweigten Fürstenhaus gilt. «Investieren wie der Fürst» - der Werbeslogan der LGT Deutschland - soll aus seinem Poesiealbum stammen.

Der Fürstenbanker ganz sanft

Wenn es um die Ausbildung der smarten LGT-KundenberaterInnen geht, tönt Prinz Philipp abgehoben und sanft. «Die Persönlichkeit ist der Schlüssel zum Erfolg. Basierend auf dieser Erkenntnis, hat die LGT im Jahre 1995 die in ihrem Ansatz einzigartige LGT Academy gegründet. Zielsetzung ist die ganzheitliche, umfassende Persönlichkeitsentwicklung - Geist und Körper werden gleichermassen angesprochen und sollen zur Balance finden, ganz nach dem Motto 'Mens sana in corpore sano'.» So schreibt der Fürsten-Banker in einer Hochglanzbroschüre für die MitarbeiterInnenanwerbung. Und weiter: «Daraus resultiert bei unseren Führungs- und Nachwuchskräften eine nachhaltige Steigerung der Leistungsfähigkeit in vier Dimensionen: intellektuell, psychisch, sozial-emotional und gesundheitlich.»

Die «LGT Academy» oder auch «Corporate University» ist seit 1996 auf Schloss Freudenfels, im thurgauischen Eschenz, an der deutschen Grenze untergebracht. Der heute biedermeierliche Herrschaftssitz geht auf einen Burgenbau aus dem 13. Jahrhundert zurück und ist seit dem 16. Jahrhundert im Besitz des Klosters Einsiedeln. Das in die weiche Hügellandschaft des Seerückens gebettete und vor allem landwirtschaftlich genutzte Anwesen fiel den Benediktinern aus der Innerschweiz immer mehr zur Last. 1988 wurde es als Ausbildungsstätte an die Zürcher Marti-Gruppe verpachtet. Sechs Jahre später zog sich die restrukturierte und redimensionierte Unternehmung aber aus Freudenfels zurück. Die LGT Group übernahm im Baurecht. Die Remise - die heute «Scheune» heisst - ist ein Dojo, ein Trainingsraum für verschiedene japanische Kampfkünste. Im früheren Gesindehaus - jetzt das «Weiberhaus» - wird logiert. Im Schloss selbst findet die Personalausbildung statt. Um das leibliche Wohl sind zwei kleine und ausgesprochen feine Restaurants besorgt. Die LGT Freudenfels AG vermietet das Anwesen auch fremd; an zahlungskräftige Unternehmen für Seminar- und Schulungszwecke.

Die LGT-eigene Aus- und Fortbildung stellt zwar die Vermögenspflege in den Vordergrund, ist aber getreu dem Motto «Mens sana in corpore sano» auch sportlichen und schönen Dingen zugetan, die gar nicht businesslike sind. So wird meistens vor den Seminar- und Schulungskursen ab sieben Uhr in der Früh auf dem nahen Bodensee gerudert. Mittags und an noch jungen Nachmittagen gehören wahlweise Zeichnen oder Tai-Chi zum Programm; abends dann Schach. Auf den ersten Blick für eine toperfolgreiche Bank befremdlich, vor allem wenn für die integrierte und vernetzte Persönlichkeitsentwicklung des geforderten Personals auch noch ein buddhistischer Mönch zum Einsatz kommt. Geleitet wird heute die Academy, die eine Idee von Prinz Philipp ist, von Gustav Stendahl, Head of Group Human Resources am Vaduzer Hauptsitz der LGT. Beteiligt an den Seminar- und Schulungsveranstaltungen sind universitäre Forschungsanstalten aus Wien und Zürich.

Verluderte Vermögenswerte

Nach dem Knatsch mit SteuerfahnderInnen, Staatsanwaltschaften und höchsten Regierungsstellen will man das Deutschlandgeschäft vorerst auf sehr hohem Niveau ein wenig ruhen lassen, heisst es aus LGT-Kreisen. Der Schaden ist noch nicht gross, aber er könnte grösser werden. Bei den verwalteten Vermögen in der Höhe von rund hundert Milliarden Schweizer Franken sind laut Prinz Max, operativer Chef des Konzerns, erst hundert Millionen infolge des Steuerstreits mit Deutschland abgeflossen.

Noch ein paar Wochen vor dem Knatsch hat der zweitälteste Sohn von Fürst Hans Adam in einem Interview mit «Finanz und Wirtschaft» durchblicken lassen, dass sich die LGT wieder vermehrt auf die Schweiz konzentrieren wolle. Schliesslich sei dies neben dem Fürstentum der wichtigste Markt. Die Milliardenabschreiber der Konkurrentin UBS kommen dabei nicht ungelegen. Die LGT sei weder im US-Hypothekengeschäft noch im Investment Banking aktiv und daher von der Subprime-Krise praktisch nicht betroffen, meinte der Prinz. Jetzt würden die unterschiedlichen Geschäftsmodelle für die KundInnen offengelegt. Im Wealth Management und im Asset Management - also in der Vermögensverwaltung - ist die LGT führend. Ein Geschäftsbereich, der in den letzten Jahren riesige Zuwächse aufweist.

2003 hat die LGT die Schweizerische Treuhandgesellschaft STG übernommen und deren angesammelte Vermögensverwaltungen von damals rund sieben Milliarden auf heute über zehn Milliarden aufgestockt. Neuakquisitionen von Unternehmen wolle man vorerst keine machen, dafür aber ins Personal und vor allem in die Personalausbildung investieren, so der Prinz gegenüber «Finanz und Wirtschaft». Ausserhalb Liechtensteins betreut die LGT wahrscheinlich am Standort Schweiz die meisten Kunden aus den Kernbereichen Wealth Management und Asset Management.

Erst kürzlich ist in Luzern eine neue LGT-Niederlassung - die sechste in der Schweiz - eröffnet worden. Von den rund 1700 MitarbeiterInnen in den weltweit 29 LGT-Niederlassungen arbeiten zwischen 350 und 400 hierzulande. In Luzern sind es 17. Sie sollen ausschliesslich die Stadt am Vierwaldstättersee beackern. Eine LGT-Marktanalyse sagt, dass es ein «gutes Potenzial an vermögenden Kunden in Luzern» gebe.

Nicht nur auf das reine Bankgeschäft hat es die Fürstenfamilie aus Liechtenstein abgesehen. Die LGT Bank Schweiz ist auch prominenter Partner der Wirtschaftsförderung Luzern. Ganz im Speziellen dürfte die LGT so etwas wie der gute Onkel für das Kloster Einsiedeln sein, das noch immer mit der effizienten Neuordnung seiner über die Jahrhunderte verluderten Vermögenswerte zu kämpfen hat. Der Verwaltungsratspräsident der LGT Capital Management AG im schwyzerischen Pfäffikon, Konrad Bächinger, fungiert als Präsident der Stiftung Pro Kloster Einsiedeln, welche die Benediktinerabtei vor dem finanziellen Desaster retten soll.

Die LGT und die NZZ

Was der liechtensteinischen Fürstenfamilie am Kloster Einsiedeln auch noch lieb sein könnte, ist nicht so sehr das Katholische, sondern der immense Waldbesitz der Mönche. Zur«Stiftung Fürst Liechtenstein», die Holding aller Fürstenunternehmen, gehört nämlich auch ein sehr erfolgreicher Holzverarbeitungsbetrieb in Österreich.

Zurück zu Konrad Bächinger und Pfäffikon. Hier haben die LGT Capital Management AG und die LGT Capital Partners im letzten Sommer einen neuen Glasbau bezogen. Den vielfältigen Geschäftsaktivitäten stehen grosszügige 7500 Quadratmeter Bürofläche zur Verfügung. Im Schwyzer Steuerparadies werden vor allem institutionelle Anleger wie Versicherungen und Pensionskassen betreut. Enge Verbindungen gibt es übrigens auch zu einem Zürcher Traditionshaus: Conrad Meyer, Präsident des Verwaltungsrates der NZZ, sitzt bei der LGT Group im Stiftungsrat.

Wie immer seit 65 Jahren feiert Liechtenstein am 15. August seinen Staatsfeiertag. Dem Datum liegt keine historische Begebenheit zugrunde, sondern lediglich die Zusammenlegung von Mariä Himmelfahrt am 15. August mit dem Geburtstag des verstorbenen Fürsten Franz Josef II. am 16. August. Er war der Vater des aktuellen Fürsten und der erste liechtensteinische Monarch, der im Ländle Wohnsitz nahm.

Am Abend des Staatsfeiertags brennen am Schlossfelsen 1200 Fackeln und verkünden über das Ländle hinaus: «Für Gott, Fürst und Vaterland». Weil der Herrgott zunehmend vom ultrakonservativen Erzbischof Haas vereinnahmt wird, heisst es vielleicht künftig (in Neonleuchtschrift): «Für Geld, Fürst und Vaterland».




Gegendarstellung

In der Ausgabe der WOZ vom 20 März wird behauptet:

«Käufer [des Schlosses Sonnenberg] war der Österreicher Christian Baha, mit Hedge-Fonds innert weniger Jahre zum Milliardär geworden. Baha arbeitet eng mit der LGT zusammen und hat eben im liechtensteinischen Schaan eine Geschäftsniederlassung eröffnet.»

Diese Ausführungen sind qualifiziert unrichtig: Herr Baha steht zur LGT in keiner Geschäftsbeziehung, weder in einer losen noch gar in einer «engen». Er hat auch in der Vergangenheit nicht mit der LGT zusammengearbeitet. Schliesslich wurde die Niederlassung in Schaan nicht «eben», sondern schon im Jahr 2005 eröffnet.

Christian Baha

So wurde das Ländle reich

Der 1945 geborene Hans Adam, Chef des Hauses Liechtenstein, haderte als junger Erbprinz mit dem verkrusteten Monarchentum seines Vaters und den mächtigen TreuhänderInnen und AnwältInnen am Fusse des Schlosses. Einerseits wollte er kein «Grüssaugust» werden, wie er sich über die institutionalisierte Monarchie rotzig zu äussern pflegte. Andererseits waren ihm die reichen Honoratioren drunten im Land als «Oligarchen» so ziemlich zuwider.

Nach dem Volkswirtschaftsstudium an der Hochschule St. Gallen übernahm er die Totalsanierung des fürstlichen Vermögens. Vater Franz Josef hatte noch gelegentlich Bilder aus der weltberühmten «Kunstsammlung der Fürsten von Liechtenstein» verkaufen müssen, um Löcher in der Haushaltskasse zu stopfen. Hans Adam schaffte es in nur dreissig Jahren, aus dem maroden Besitz einen riesigen, weltweit operierenden Konzern mit unzähligen Unternehmungen und Beteiligungen aufzubauen. In der als Holding funktionierenden «Stiftung Fürst Liechtenstein» sollen sich inzwischen Werte in Höhe von über acht Milliarden Schweizer Franken angesammelt haben. Das Portfolio der Fürstenfamilie wird auf rund vier Milliarden geschätzt.