Finanzkrise: Und plötzlich ist der IWF zurück im Spiel

Nr. 44 –

Nach einzelnen Banken geraten jetzt ganze Staaten in die Bredouille.


Lange Zeit war es um den Internationalen Währungsfonds (IWF) still gewesen. In den achtziger und neunziger Jahren hatte die von 185 Staaten getragene Institution in Washington so manche wirtschaftliche Krise dazu genutzt, um mit ihren Geldvergaben an Entwicklungs- und Schwellenländer eine neoliberale Politik durchzudrücken. Die Bedingungen für Kredite waren meist knüppelhart: Privatisierungen von Staatsbetrieben, Kürzungen der Sozialausgaben, Aufhebung der Zollschranken. Diese Politik sollte die Länder für die Bedürfnisse einer globalen Ökonomie fit machen. Profitiert haben nicht zuletzt Firmen aus den zahlungskräftigen und dadurch tonangebenden IWF-Staaten wie den USA und Westeuropas, die sich so neue Märkte erschlossen.

Nach der sogenannten Asienkrise in den neunziger Jahren wollte dann aber kaum noch ein Staat vom IWF Geld leihen. Die Massenarmut, die seine Kreditbedingungen verstärkt hatte, schreckte die Regierungen der Schwellen- und Entwicklungsländer ab. Man borgte sich fortan lieber Geld von einzelnen Staaten oder via Staatsanleihen und baute Reserven auf.

Doch jetzt ist der IWF zurück im Spiel. Zurzeit tingelt Direktor Dominique Strauss-Kahn von einer Krisenkonferenz zur nächsten und preist seine Institution als Rettungsanker an. Denn immer mehr Staaten haben Probleme, neue Kredite aufzunehmen.

Plötzlich geht alles sehr schnell. Am vergangenen Freitag erhielt Island - als erstes westeuropäisches Land seit den siebziger Jahren - einen Kredit von 2,1 Milliarden US-Dollar. Zwei Tage später gab der IWF bekannt, dass die Ukraine gar einen Notkredit von 16,5 Milliarden bekommt, und wieder zwei Tage später wurde über ein Gesamtpaket von über 25 Milliarden US-Dollar an Ungarn informiert, wobei neben der EU und der Weltbank der IWF 15,7 Milliarden beisteuert. Weitere Abkommen stehen kurz vor dem Abschluss. So liess am Dienstag der deutsche Aussenminister Frank-Walter Steinmeier verbreiten, dass dem IWF nur gerade sechs Tage Zeit bleiben, um Pakistan vor dem Finanzkollaps zu retten. Offenbar ist ein Paket im Umfang von 15 Milliarden unterschriftsreif. Weitere Kandidaten sind Weissrussland, Bulgarien, die baltischen Staaten, Serbien und Rumänien. Möglicherweise werden auch schon bald die Türkei und verschiedene Länder Lateinamerikas beim IWF anklopfen.

Es ist absehbar, dass die rund 200 Milliarden US-Dollar, über die der IWF derzeit verfügt, schon bald aufgebraucht sind. Doch soll es laut der Institution kein Problem sein, in kurzer Zeit weiteres Geld von einem Teil seiner Mitgliedsstaaten aufzunehmen.

Die Geschwindigkeit, mit der der IWF jetzt agiert, zeigt, wie sich die Finanzkrise weiter ausweitet. Im Fall von Island war es ein überdimensioniertes und dereguliertes Bankensystem, das mit seinen spekulativen Geschäften das Land an den Rand des Staatsbankrottes brachte. Die Ukraine dagegen ist auch stark vom weltweiten Wirtschaftsabschwung betroffen, der sich nun bei der sinkenden Nachfrage nach Rohstoffen bemerkbar macht. Vierzig Prozent der ukrainischen Exporte stammen aus der heimischen Stahlindustrie, die ihre Produktion inzwischen um fast einen Drittel drosseln musste.

Ungarn ist besonders wegen der rasanten Abwertung seiner Währung - des Forint - unter Druck geraten. SpekulantInnen von verschiedenen Hedgefonds werden dafür mitverantwortlich gemacht. Das ungarische Bankensystem ist vollständig in ausländischer Hand - vorab in der von österreichischen Banken. Wie stark sie im Interesse Ungarns handeln, ist unklar. Die BankkundInnen haben bis jetzt keine Garantien erhalten, dass ihre Einlagen sicher sind. Viele UngarInnen haben zudem ihre Hypotheken wegen der tiefen Zinsen auf Schweizer Franken abgeschlossen. Angesichts eines immer schwächeren Forint bedeutet das, dass sie nun in immer grössere Schwierigkeiten geraten.

Die jetzige Hilfe des IWF ist für die einzelnen Länder zwar nötig, weil diese sonst ihren Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommen können. Andererseits bedeutet die Verschuldung, dass sich der IWF wieder in nationale Politik einmischt und den Staaten Schocktherapien aufzwingt. Island wurde diktiert, seinen Leitzins auf achtzehn Prozent zu erhöhen; das macht es der lokalen Wirtschaft faktisch unmöglich, Kredite aufzunehmen. Dadurch wird die Arbeitslosigkeit massiv steigen. Ungarn wiederum muss seine Staatsausgaben im grossen Stil drosseln. In Ungarn geht man davon aus, dass als Folge den RentnerInnen die Bezüge gekürzt werden. Die jetzt schon unbeliebte Regierung des sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Ferenc Gyurcsany wird so noch weiter an Popularität verlieren, während die oppositionelle rechtspopulistische Fidez-Partei profitiert.

Während die tonangebenden Mitgliedsländer des IWF ihre eigene Wirtschaft derzeit noch mit tiefen Zinsen und staatlichen Ankurbelungsprogrammen vor dem Absturz zu retten versuchen, verordnen sie via Währungsfonds den wirtschaftlich stärker angeschlagenen Ländern schon jetzt Schocktherapien im alten Stil. Trotz all der schönen Worte über gegenseitige Abhängigkeit wird klassische Machtpolitik betrieben. Wer zahlt, befiehlt. Und um die Wirtschaftskrise zu meistern, wird auch diesmal eine Massenverarmung in Kauf genommen.

Mitarbeit: Klaus Rózsa, Budapest