Nahrungsmittelspekulation: Das Kleinreden der Gernegrosse

Nr. 7 –

Die Banken geraten bei der Spekulation auf Nahrungsmittel zunehmend in die Defensive. Die deutsche Commerzbank macht inzwischen gar Werbung damit, dass sie nicht mehr in diesem Geschäft tätig ist. Die Schweizer Banken dagegen versuchen, ihren Anteil herunterzuspielen.

Das Thema ist heikel. Bei den Schweizer Banken würde man dazu wohl lieber schweigen. Denn immer noch sammeln viele von ihnen unbeirrt Geld ihrer KundInnen ein, um damit an den Rohwarenbörsen auf steigende Lebensmittelpreise zu wetten. Dabei berufen sie sich bei kritischen Nachfragen auf Studien, die beweisen sollen, dass damit die realen Preise nicht hochgetrieben werden. Andere Studien, die das Gegenteil nachweisen, scheinen von ihnen nicht wahrgenommen zu werden. Bloss keine Debatte zum Thema, scheint die Devise zu lauten.

Anders in Deutschland. Dort hat die zweitgrösste deutsche Bank, die Commerzbank, vergangenes Jahr ihren Rückzug aus dem Spekulationsgeschäft mit Nahrungsmitteln bekannt gegeben. Inzwischen brüstet sie sich damit sogar in einer Werbekampagne. Das grösste Geldhaus des Landes dagegen, die Deutsche Bank, beschreitet den entgegengesetzten Weg. Nachdem sie noch im März 2012 hat verlauten lassen, man wolle vorerst keine neuen auf Grundnahrungsmitteln basierenden Anlageprodukte verkaufen, um zuerst die Ergebnisse einer Untersuchung abzuwarten, gibt man sich jetzt überzeugt, dass das Geschäft «im Interesse der Kunden» sogar nützlich sei. Wo also stehen die Schweizer Banken im Vergleich mit Commerzbank und Deutscher Bank? Wie positionieren sie sich?

UBS macht sich kleiner, als sie ist

Die UBS biete als «globaler Player eine komplette Produktepalette an», mailt die UBS-Pressestelle. Dazu gehörten auch «einige wenige Zertifikate auf Agrar-Rohstoffe». Der Einfluss der Rohwarenspekulation auf die steigenden Preise sei nicht bewiesen. Andere Faktoren, wie das Klima und die steigende Nachfrage, kämen dafür viel eher infrage. Dennoch wird ein Zusammenhang zwischen Finanzspekulation und Preisanstieg von der UBS auch nicht grundsätzlich in Abrede gestellt. Die Bank wolle deshalb in diesem Geschäft «mit Bedacht vorgehen, um sicherzustellen, dass unsere Aktivitäten die entsprechenden Märkte nicht destabilisieren».

Die UBS redet also klein, was sie noch vor zwei Jahren ganz anders darstellte: Da liess sich Jean Bourlot, der damalige globaler Leiter der Rohwarenabteilung bei der UBS, von der britischen Wirtschaftszeitung «Financial Times» mit den Worten zitieren: «Im Landwirtschaftssektor wollen wir zum Marktführer aufsteigen.» Die UBS machte sich denn auch daran, eine entsprechende Händlergruppe aufzubauen. Tatsächlich bietet sie ihren Kunden mit sogenannten ETC-Zertifikaten die Möglichkeit, sowohl ganz gezielt auf den Preis einzelner Lebensmittel wie Mais, Weizen und Reis zu wetten, als auch auf einen gemischten Warenkorb, in dem sich diese Produkte zu einem bestimmten Anteil finden. ETC-Zertifikate sind an der Börse handelbare Papiere, die je nach Kursverlauf bestimmter Rohwaren an Wert gewinnen oder verlieren. Je mehr solche Zertifikate im Umlauf sind, umso mehr muss an den Rohwarenmärkten zu deren Absicherung spekuliert werden. Zahlen über ihren Umsatz und Gewinn dank Zertifikaten auf Agrarrohstoffe gibt die UBS nicht preis. Sicher ist allerdings: Die Bank zählt in diesem Segment zu den grösseren Anbietern.

Neben den Agrarzertifikaten gibt es noch andere Produktepaletten, bei denen die UBS auf Nahrungsmittel spekuliert. So betreibt sie auch einen klassischen Rohwarenfonds, in dem sich unter anderem Weizen- und Maispositionen befinden. Ausserdem bietet sie, wie auch viele andere Banken, spezifische Dienstleistungen für institutionelle Anleger wie Pensionskassen an, die in keinem Prospekt zu finden sind. Wie stark dabei die Spekulation auf Rohwaren und speziell Rohwaren im Nahrungsmittelbereich eine Rolle spielt, ist nicht in Erfahrung zu bringen.

Die Schweizer Pensionskassen haben laut einer Studie des Wirtschaftsprüfers KPMG 1,75 Prozent ihres Vermögens in Rohstoffe angelegt – das sind 12 Milliarden Schweizer Franken. Wie viel davon in Agrarrohstoffe investiert sind, ist nicht bekannt.

Vontobel beruft sich auf «Fachleute»

Die Bank Vontobel verfolgt im Bereich der Rohwaren eine eher aggressive Strategie. So verspricht sie zum Beispiel den AnlegerInnen mit ihrem «Agriculture Total Return Index», von «globalen Megatrends» profitieren zu können. «Rohstoffe gehören in jedes diversifizierte Portfolio», heisst es in einem Anlegerprospekt der Bank. «Dreh- und Angelpunkt» der «Investmentphilosophie» von Vontobel seien «Chancen, die sich aus dem strukturellen Bevölkerungswachstum in Verbindung mit der rasanten Industrialisierung sowie Urbanisierung in den Schwellenländern ergeben». Mit diesem «weltweiten Trend» gehe «eine stark steigende Nachfrage nach Rohstoffen» einher, der strukturell bedingte Versorgungsengpässe gegenüberstünden. «Wir gehen deshalb von weiter steigenden Rohstoffpreisen aus, die interessante Anlagechancen bieten werden.» Vontobel ruft ihre Anleger also ziemlich unverblümt dazu auf, aus den absehbaren globalen Versorgungsengpässen Profit zu schlagen.

Von der Rolle der Spekulation beim Anstieg der Rohwarenpreise will man bei Vontobel dagegen nichts wissen und verweist, ohne ins Detail zu gehen, auf «die aktuelle wissenschaftliche Literatur». Die Preissteigerungen seien «gemäss Fachleuten zum allergrössten Teil auf reale Verknappungen zurückzuführen». Gegen «die Eindämmung von grossen Volatilitäten» habe man allerdings nichts. Man unterstütze Massnahmen wie die «Schaffung von mehr Transparenz».

Die CS will ein bisschen aussteigen

Die Credit Suisse beharrt – ähnlich wie die UBS – darauf, nur «ein äusserst kleiner Marktteilnehmer» bei Anlageprodukten zu sein, «die ausschliesslich in Nahrungsmittel investieren». Anders als die UBS, schreibt die CS aber, dass sie diese Anlageprodukte nach Ende ihrer Laufzeit nicht mehr zu verlängern gedenke. «Es werden auch keine neuen solcher Produkte aufgelegt», heisst es in dem Mail der CS-Presseabteilung. Allerdings verfügt die CS auch über Anlageprodukte, bei denen Nahrungsmittel nur einen Teil des Warenkorbs abdecken, etwa einen Fonds unter der Bezeichnung Commodity Index Plus, bei dem über ein Drittel der Gelder in Agrarrohstoffe investiert wird. Ende Juli 2012 verzeichnete der Fonds einen Monatsgewinn von fast sechs Prozent, nicht zuletzt wegen der stark gestiegenen Maispreise: «Mais war der Top-Performer im Index», schreibt dazu die CS in einem Bericht und nennt als Grund «schwierige Wetterbedingungen».

Neben UBS, CS und Vontobel sind auch noch andere Banken in der Schweiz im Geschäft in der Nahrungsmittelspekulation aktiv, so etwa die Privatbanken Julius Bär und Sarasin. Auch die zu hundert Prozent staatliche Zürcher Kantonalbank bietet – auf vergleichsweise bescheidenem Niveau – Fonds an, bei denen Agrargüter wie Mais und Weizen enthalten sind. Die Genfer Privatbank Lombard Odier Darier Hentsch dagegen schliesst diese Güter aus ihren Fonds explizit aus.

Es ist absehbar, dass sich die Schweizer Banken schon in näherer Zukunft klarer positionieren müssen. Derzeit sammeln die JungsozialistInnen Unterschriften für eine Volksinitiative, mit der die Spekulation auf Nahrungsmittel verboten werden soll. Die Sammlung laufe erstaunlich gut, sagt Kampagnenleiterin Franziska Bender. Die Reaktion auf der Strasse sei sehr positiv. Trotz der Komplexität des Themas seien viele BürgerInnen informiert und zeigten gegenüber den Banken Unverständnis. Die Juso werden bei ihrer Initiative von den Hilfswerken Solidar Suisse und Swissaid sowie von der Bauerngewerkschaft Uniterre unterstützt, aber auch von der SP und den Grünen.

Der Handel an den Rohwarenbörsen : Die Hälfte der Käufe ist reine Spekulation

Schon länger sind die Banken in den westlichen Staaten wegen ihrer Rolle an den Rohwarenbörsen unter Beschuss. Ihre Spekulation mit Nahrungsmitteln wie Mais, Weizen und Reis wird für steigende Preise und damit auch für vermehrte Armut verantwortlich gemacht. Im Börsengeschäft mit Nahrungsmitteln – aber auch Energieträgern und Edelmetallen – stieg der Anteil der reinen SpekulantInnen aus der Finanzindustrie seit 2005 rapide an. Die Banken verkaufen immer ausgeklügeltere Produkte, die es sowohl den kleinen AnlegerInnen wie auch Pensionskassen, Stiftungen und Superreichen möglich machen, bei der Spekulation mitzumischen.

Inzwischen werden an den Rohwarenbörsen rund die Hälfte aller Kontrakte von Unternehmen aus der Finanzindustrie gekauft – also von Firmen, die nie im Leben die reale Ware auch geliefert haben möchten. Es geht ihnen nur darum, den Wert ihrer Fonds zu steigern oder sich für Spekulationsgeschäfte ihrer KundInnen abzusichern. So kaufen sie sogenannte Futures, also Kontrakte auf Waren, die erst zu einem späteren Zeitpunkt geliefert werden. Bis es dann so weit ist, haben sie diese Kontrakte längst weiterverkauft. Ob dieses Herdenverhalten letztlich auch die realen Preise mindestens kurzfristig nach oben treibt, wird in Wissenschaftskreisen heftig diskutiert.

Die Uno-Organisation für Handel und Entwicklung (Unctad) etwa verweist in einer Studie darauf, dass sich die Preisentwicklung an den Rohwarenmärkten stark den Aktienmärkten angeglichen hat. Das beweise den starken Einfluss der SpekulantInnen.

Daniel Stern