«Privatsache Handtasche»: Das intime Gedächtnis der Frauen

Nr. 8 –

Alltägliche Verrichtungen und Gebrauchsgegenstände bilden das Forschungsfeld, auf dem sich der französische Soziologe Jean-Claude Kaufmann mit Vorliebe bewegt. Nachdem er in früheren Publikationen anhand der Schmutzwäsche und unserer Essgewohnheiten moderne Beziehungsstrukturen entschlüsselt hat, widmet er sich in seinem jüngsten Buch dem liebsten Accessoire der Frauen: der Handtasche. Kurzweilig und scharf beobachtend legt er in «Privatsache Handtasche» dar, was die Tasche über ihre Trägerin verrät.

Ein tiefer Blick ins Tascheninnere mehrerer Dutzend Studienteilnehmerinnen zeigt, dass die Funktion einer Handtasche weit über ihren praktischen Nutzen hinausgeht. Warum sonst sollten Frauen neben Geld, Mobiltelefon und den unabdingbaren Papieren auch Strümpfe und Miniapotheke sowie Steine, Briefe und Heiligenbildchen mit sich herumtragen? Abgesehen vom Bedürfnis, sich für alle Eventualitäten zu wappnen, haben Frauen laut Kaufmann zu ihrer Tasche eine enge emotionale Bindung. Mit ihren Erinnerungsstücken fungiere sie als eine Art «intimes Gedächtnis» und diene der Erweiterung des Selbst.

Auch das äussere Bild, das Frauen von sich haben, spiegeln Taschen wider. Als auffälliges Modeaccessoire oder teures Prestigeobjekt werden Taschen zur Schau getragen. Sie garantieren soziale Distinktion und sind vor allem ein Attribut für Weiblichkeit, weshalb Kaufmann ihnen eine identitätsstiftende Rolle zuspricht. Dass sich Politikerinnen heutzutage selten mit Täschchen zeigen und Männer nicht zur Handtaschenfraktion gehören, scheint dies zu bestätigen. Im Vergleich zu Letzteren seien Frauen auch eher bereit, für Kind und Partner Dinge mitzuschleppen und buchstäblich viel Last zu schultern – was eine der Befragten veranlasst zu proklamieren: «Frauen aller Länder, befreit euch von euren Taschen!»

Als wissenschaftliche Untersuchung taugt «Privatsache Handtasche» kaum. Zu leichtfertig werden Thesen entwickelt und aneinandergereiht, zu unverbindlich wird geplaudert. Wer jedoch wissen möchte, was es mit den schwarzen Löchern einer Handtasche auf sich hat und weshalb das Hineintun lustvoller als das Herausräumen ist, findet in Kaufmanns Büchlein Antworten.

Jean-Claude Kaufmann: Privatsache Handtasche. Aus dem Französischen 
von Anke Beck. UVK Verlagsgesellschaft. 
Konstanz 2012. 198 Seiten. 
Fr. 28.90