Medientagebuch: Freude und Leidenschaft

Nr. 26 –

Corsin Zander über seine Zukunft im Journalismus.

Ich kann das Gejammer nicht mehr hören! Ja, die Löhne und die unregelmässigen Arbeitszeiten sind miserabel. Ja, es ist eine Schweinerei, dass die Tamedia Stellen abbaut und grosszügig Dividenden an die AktionärInnen ausschüttet. Ja, der Medienforscher Kurt Imhof stellt Jahr für Jahr fest, dass es dem Schweizer Journalismus schlecht geht.

Und trotzdem: Ich könnte mir keinen besseren Beruf vorstellen. Diese Aussage klingt nicht nur naiv, sie ist es auch. Ich habe noch wenig vom Journalismus gesehen: ein bisschen Sonntagszeitung, ein bisschen Wochenzeitung, ein bisschen Medienjournalismus und viel Studierendenzeitung. Ich stehe noch vor der Tür zum Journalismus, und schon höre ich ein lautes Gejammer, wie schlecht alles sei: «Im Journalismus kann man nicht in Würde altern!», ertönt es. Fast möchte ich mich entnervt abdrehen und einen anderen Weg einschlagen, aber es bereitet mir zu viel Spass, für Recherchen durch die Luft zu segeln, Leichen aufzuschneiden oder eine Nacht mit einem Drucker zu verbringen – und dann darüber zu schreiben.

Fast noch schlimmer als das Gejammer, das mir aus der Tür zum Journalismus entgegenhallt, ist das von denjenigen, die neben mir stehen. Am diesjährigen Swiss Media Forum sagte ein Jungjournalist: «Früher oder später landen wir ohnehin alle in der PR.» Er schliesst im Sommer an der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften den Bachelor in Journalismus ab und macht dann ein Praktikum bei der SRF-Sendung «Glanz und Gloria».

Zahlreiche JournalistInnen haben bereits in den PR-Bereich gewechselt. Wenn man Journalismus als einen Beruf wie jeden anderen ansieht, ist dagegen nichts einzuwenden: In der PR sind die Löhne besser und die Arbeitszeiten klarer geregelt. Aber für mich heisst, Journalist zu sein, bewusst eine Entscheidung für ein Leben zu treffen, das abwechslungsreich und spannend, dafür nicht locker ist. Was mich antreibt, ist die Leidenschaft. Natürlich würden mir mit dem Uni-Abschluss auch andere Türen offenstehen, doch die Neugier treibt mich zu der einen.

In Zeiten, in denen die Informationsquellen immer zahlreicher und der Informationsfluss immer grösser wird, braucht es JournalistInnen, die einordnen, dranbleiben, hartnäckig sind – und überraschen. Die Voraussetzung dafür sind Neugier und eine innere Motivation, denn was soll dabei rauskommen, wenn JournalistInnen mit einer negativen Grundeinstellung an ihre Arbeit herangehen? Natürlich ist diese Aussage idealistisch; nicht in allen Redaktionen hat man die Freiheit, das zu tun, was einem Spass macht, und – noch schlimmer – Texte werden nicht gedruckt, weil sie Leserinnen oder Werbekunden verärgern könnten. Aber wie auch immer: Jene Redaktionen, die JungjournalistInnen ans Fliessband schicken, wo sie bloss Agenturmeldungen abzufüllen haben, sind doch nicht die einzigen, die uns offenstehen! Wer keine Redaktion findet, die zu ihm oder ihr passt, kann ein eigenes Projekt anreissen. Die Möglichkeiten dazu sind heute so vielfältig wie noch nie. Es braucht aber den Willen, die Freude und die Leidenschaft.

Einige der JournalistInnen, die ich in meiner bescheidenen Laufbahn bisher getroffen habe, lassen mich durchaus daran glauben, dass es richtig ist, weiter auf die Tür zum Journalismus zuzugehen. Gut möglich, dass es für mich nicht reicht und ich eine andere Tür wähle. Aber jammern werde ich dann bestimmt nicht.

Corsin Zander verliess die WOZ letzte Woche in Richtung NZZ zu einem weiteren Praktikum. Ausserdem leitet er die Redaktion der «Zürcher Studierendenzeitung» und arbeitet regelmässig für das Medienmagazin «Schweizer Journalist».