US-Angriff: Was intelligente von dummen Waffen unterscheidet: Angst und Entsetzen

Ziel sei, die «Kollateralschäden» zu minimieren, erklären US-Militärs. Dafür wählen sie eine Strategie des Terrors.

Ein Tomahawk-Marschflugkörper (cruise missile) zischt über Bagdads Vorortquartiere. Die Kamera des digitalen Systems des Tomahawk schiesst ein Foto der Häuserreihen und gleicht es mit dem im Computer gespeicherten Bild ab. Das System meldet: Der Marschflugkörper ist auf dem richtigen Weg. Noch einen Schwenk um das Hotel Palestine, und schon liegt das Ziel offen da. 1 300 000 US-Dollar gehen zusammen mit Saddam Husseins Geheimdienstgebäude in die Luft.

Damit will man zuhause technische Überlegenheit demonstrieren. Den KriegskritikerInnen soll ein technisch «sauber» und präzis geführter Krieg mit wenig Verlusten unter der Bevölkerung präsentiert werden.

Im Leitbild «Joint Vision 2020» der US-Streitkräfte steht: «Wenn unsere Armee schneller, tödlicher und präziser sein soll, dann müssen wir neue militärische Fähigkeiten entwickeln und dahingehend investieren.» Ein Kind dieser Vision 2020 ist die von Boeing entwickelte Joint Direct Attack Munition (JDAM). Sie verspricht, aus «dummen» Bomben «intelligente» zu machen. Ungelenkte, frei fallende Bomben erhalten ein Elektronikkorsett mit Gleitsystem. Mittels GPS-Satellitendaten soll die Bombe das richtige Ziel finden. Fünfzig Prozent aller abgeworfenen JDAMs treffen im Umkreis von dreizehn Metern ins geplante Ziel. Die anderen fünfzig Prozent fliegen darüber hinaus und können somit zivile Einrichtungen treffen.

Neben den GPS-gesteuerten JDAMs werden auch die lasergelenkten Paveway-Bomben auf feste Stellungen und Gebäude angesetzt. Mit beweglichen Zielen wie Panzern oder Truppen hingegen haben sie Mühe. Traditionelle Flächenbombardierungen mit Streumunition sind da effektiver.

Im Golfkrieg von 1991 war die MK-20 Rockeye die am meisten eingesetzte Streubombe der US-Luftwaffe – mit verheerenden Folgen, wie Human Rights Watch kürzlich dokumentierte: Mehr als 4000 Personen starben oder verunfallten wegen der zurückgebliebenen Blindgänger. Während des wenige Wochen dauernden Krieges wurden Kuweit und der Irak mit zwanzig Millionen Geschossen der minenähnlichen Streubomben aus der Luft überzogen, schätzt die US-amerikanische Menschenrechtsorganisation. Von Artillerie, Mehrfachraketenwerfern und Panzerhaubitzen verschossene Streumunition fügte weitere dreissig Millionen «Bomblets» hinzu. Die Blindgängerraten für Streumunition betragen zwischen fünf und dreissig Prozent. Bis heute wurden in Kuweit über hundert Tonnen Streumunitionsrückstände aufgespürt und zerstört. Immer noch finden kuweitische Minenräumer jährlich mehr als 2000 Blindgänger.

Auch bei der Weiterentwicklung von Streubomben steht «Intelligenz» oben auf der Liste. Die Tochtergeschosse werden mit Infrarot- und Spektralsensoren bestückt, die selbständig Panzer und Fahrzeuge aufspüren sollen. «Die Absicht ist, die Wirkung auf militärische Ziele zu maximieren, aber Kollateralschäden zu minimieren», will Scott Swift, Captain der US Navy, gegenüber dem Fernsehnetzwerk «ABC News» glauben machen. Auch wenn vermehrt Präzisionswaffen eingesetzt werden – ohne gute Aufklärung und Informationsbeschaffung nützen auch die teuersten Lenkwaffen nichts. In Afghanistan verliessen sich die US-Amerikaner auf dubiose Informanten und schossen mit Präzisionswaffen auf ZivilistInnen.
Neben dem Trend «Präzisionskampf» kommt nun die «Effektorientierung» («Joint Vision 2020») dazu. Das heisst mehr Schläge und härtere Schläge, ganz im Sinne der «Schock und Entsetzen»-Strategie der Militärplaner um General Richard Myers und Pentagon-Chef Donald Rumsfeld.

Ausgeburten dieses Denkens sind die mehrere Tonnen schweren Daisy Cutter- und Mother of all Bombs-Bomben, die mit ihrer Rauchentwicklung wie bei einem Atompilz Furcht verbreiten. Bei der Explosion töten sie im Umkreis von hunderten von Metern durch Überdruck und Sauerstoffentzug alle Lebewesen. Piers Wood von «GlobalSecurity.org», einem amerikanischen sicherheitspolitischen Thinktank, beschreibt es gegenüber «Cox News Service» so: «Das ganze Ding ist eingebettet in die Psychologie von Angst und Terror.» Diese Terrorstrategie stehe nicht im Einklang mit dem humanitären Völkerrecht, sagen KritikerInnen. Das erste Zusatzprotokoll der Genfer Konventionen verbietet den Krieg führenden Staaten, die Bevölkerung zu terrorisieren. Prinzipien des humanitären Völkerrechtes wie Verhältnismässigkeit, kein übermässiges Leid und keine unterschiedslose Wirkung zu verursachen, können mit diesen Waffen nicht eingehalten werden.