Jakob Arjouni: Zum Ärgern schlecht

Die Exposition ist grossartig: Joachim Linde, Gymnasiallehrer, Mittvierziger und Familienvater, satter Literaturliebhaber und Exradikalo, steht vor seiner Schulklasse. «Also dann versucht doch mal – auch ruhig unter dem Eindruck des vorhin gelesenen Walser-Texts – zu beschreiben, welchen Einfluss das Dritte Reich heute, fast sechzig Jahre später, auf euer Leben hat.» Zunächst herrscht Schweigen, dann bricht ein Streit aus: Eine Schülerin bezichtigt die Grosseltern eines Mitschülers des Mordes, dieser wiederum wünscht ihre Verwandtschaft ins Gas. Dazwischen Linde, hilflos mit Sanktionen drohend.

«Hausaufgaben», der neue Roman von Jakob Arjouni, hätte das Zeug zum Meisterwerk, doch irgendwo auf der Strecke ist dem deutschen Schriftsteller offensichtlich die Puste ausgegangen. Anstatt seinen Hauptfiguren ein Gesicht zu geben, wird Arjouni simpel und eindeutig: Linde selbst ist offensichtlich ein Einfaltspinsel in Ringelsocken, seine depressive Frau trägt Pullover, «die einer Kuh gepasst hätten»; sein Sohn Pablo ist ein sexabstinenter Politaktivist und seine Tochter Martina nach einem Suizidversuch aus der Familie ausgestiegen. Diese Klischees sind umso ärgerlicher, als der Deutschlehrer Linde zunächst das Potenzial einer zweifelhaften Mittelstandsfigur hat. Aber Arjouni vergibt leichtfertig die Schwebe eines offenen gesellschaftlichen Konflikts. Am Ende fühlt man sich als Leserin schlicht betrogen: um eine Wirklichkeit und um einen Roman.

Jakob Arjouni: Hausaufgaben. Taschenbuch. Diogenes. Zürich 2004. 188 Seiten, Fr. 15.90