Medientagebuch: Prozessprotokoll

Nr. 48 –

Journalismus, Polizei, Justiz

Ich wurde vor knapp drei Jahren am Hauptbahnhof Zürich verhaftet. Auslöser war, dass ich die relativ ruppige Verhaftung eines irakischen Asylbewerbers mit meinem Handy filmte. Die Behauptung, dieser hätte sich als Stalker erwiesen, blieb unbelegt. Das war zu Zeiten der «Aktion Respekt», als die Stadtpolizei Zürich sich Respekt verschaffte, indem sie knallhart auftrat – gegenüber vermeintlichen Dealern, Jugendlichen und nicht zuletzt den Medien. So verscheuchte etwa ein Einsatzkommando mit Gummischrot ein «10 vor 10»-Team an der Langstrasse, weil dieses filmte, wie die PolizistInnen einen Velofahrer niederknüppelten.

Ganz so schlimm erging es mir nicht: Ein junger Beamter stürmte auf mich zu und bellte: «Ihr Handy und Ihren Ausweis, bitte!» Eine eindeutige Aufforderung: Er wollte mein Handy, um den Film zu löschen, falls ihm der Inhalt nicht passte. Meine Antwort? «Mein Handy auf keinen Fall. Und meinen Ausweis kriegst du zu sehen, wenn du mir deinen zeigst.» Ja, ich habe ihn geduzt. Respektlos? Vielleicht. Den Respekt verschaffte er sich, indem er mir die Arme auf den Rücken drehte, mir Handschellen anlegte und mich (nachdem er mich noch als rote Ratte beschimpft hatte) in den Kastenwagen warf. «Das volle Programm», wie Grundrechtsanwalt Viktor Györffy später bemerkte.

Fuchsteufelswild stand ich nach zwei Stunden Haft, die ich in Handschellen verbracht hatte, wieder auf der Strasse. Doch Anwalt Györffy riet mir von einer Anzeige ab. Natürlich sei das Freiheitsberaubung gewesen. Aber ohne Zeugen hätte ich keine Chance. Wahrscheinlich lasse man die Geschichte auf sich beruhen. Fehlanzeige: Drei Monate später – just ein paar Tage nachdem die Anzeigefrist meinerseits abgelaufen war – erhielt ich einen Strafbefehl, unter anderem wegen «Weigerung zu zeigen, was er auf seinem Handy betreffend die Verhaftung einer Drittperson gefilmt habe».

So wurde aus der Bagatelle eine Odyssee. Ich geriet an die Mediengewerkschaft Syndicom und bat um Rechtsschutz. Der wurde mir im ersten Anlauf versagt, da sich der Vorfall «in der Freizeit zugetragen» habe – als ob es bei JournalistInnen klar definierte Arbeits- und Freizeit gäbe. Vor allem zeigte sich, dass es auch bei der Syndicom MitarbeiterInnen gibt, die es mühsam finden, sich mit Grundrechtsfragen zu befassen. Dem Bezirksgericht Zürich ging es wohl ähnlich – von drei vorgeschlagenen Verhandlungsterminen lagen zwei ausserhalb der Verjährungsfrist. Es wäre ein kurzer Prozess geworden – doch wir (Viktor Györffy und ich, längst aber auch Syndicom) wollten einen Entscheid in der Kernfrage: Darf die Polizei jemanden zwingen, sein Handy oder seine Kamera zu zeigen, wenn damit ein Einsatz gefilmt wurde?

Darf sie nicht, hat das Bezirksgericht Zürich nun entschieden, und zwar egal ob als JournalistInnen oder Privatpersonen. Aber sie darf unsere Personalien aufnehmen, wenn wir es tun. Ein wichtiger Entscheid – der im «Tages-Anzeiger» und im «Landboten» ausführlich gewürdigt wurde. Beide Medien hatten mich übrigens im Vorfeld angefragt, ob sie meinen Namen nennen dürften. Nicht kontaktiert wurde ich ausgerechnet von «meinem» Lokalmedium, dem «St. Galler Tagblatt». Dieses stellte eine SDA-Meldung online, die dann (relativ sinnfrei) verkürzt als «Busse für Etrit Hasler» und mit veraltetem Foto auf den Infobildschirmen im St. Galler ÖV landete. In der «Ostschweiz am Sonntag» wie auch im gedruckten «Tagblatt» wurde philosophiert, ob meine neue Frisur einen Einfluss auf die Verhaftung gehabt habe.

Etrit Hasler schreibt regelmässig für die WOZ.