Musik: Aus der Tiefe nach oben

Nr. 24 –

Im Riff, das sich fortwährend erneuert, erkannte Holger Czukay, einer der Väter der Pop-Avantgarde, das Herzstück aller Rockmusik. Inzwischen ist in der elektronischen Clubmusik der Loop an die Stelle des Riffs getreten. Die Düsseldorfer-Berliner Formation To Rococo Rot, die nächstes Jahr den 20. Geburtstag feiert, bringt beide Elemente zusammen. Die drei Musiker Robert Lippok (Electronics), sein Bruder Ronald Lippok (Schlagzeug) und der Bassist Stefan Schneider sind Meister der kleinen Form. Ihre kleinteiligen Riffs und Miniloops besitzen eine hypnotische Kraft, die einen starken Sog entfalten.

To Rococo Rot stellen die Gepflogenheiten des Pop auf den Kopf, indem nicht die Leadgitarre oder die Keyboards das Leitmotiv übernehmen, sondern die Bassgitarre. Eingehüllt in elektronische Klangnebel, die fortwährend wiederkehren und dabei ganz allmählich die Farbe wechseln, dringt die Hookline, die Melodiephrase, aus der Tiefe nach oben.

Verstand sich die Band bisher als Instrumentalensemble, hat sie sich für das neue Album den Sänger Arto Lindsay an Bord geholt, der in drei Stücken den Vokalpart übernimmt. Lindsay, ein Urgestein der New Yorker Post-Punk- und No-Wave-Szene der achtziger Jahre, ist ein Vokalist von abgeklärter Coolness, der es versteht, mit Lakonie eine Melodie zum Klingen zu bringen.

Doch das Album hält noch andere Überraschungen bereit. Wie ein Fremdkörper in der elektronischen Klangwelt wirkt ein akustisches Pianoriff, das aus gewaltigen Tastensprüngen entsteht. Im Schlussstück kommt Arto Lindsay als (Anti-)Gitarrist zum Zug. Seine bekannten Feedback-Exerzitien injizieren ein Element von Chaos und Aufruhr in die präzise konstruierte Musik. Lindsays melancholisch-versonnener Gesang über den «Longest Escalator in the World» versinkt am Ende in einem Meer aus Lärm, um in sanften Klangwellen zu verebben.

To Rococo Rot: Instrument. City Slang