Medientagebuch: Die unwilligen Thurgauer

Nr. 28 –

Zum Zustand des NZZ-Konzerns (1)

Herzlich willkommen zur WOZ-Sommerserie, die sich in mehreren Teilen einer Zeitung widmet, die es laut ihres CEOs Veit Dengler, «wenn wir so weitermachen wie bisher, irgendwann – in nicht allzu weiter Ferne – nicht mehr lange geben wird».

Die Rede ist von der «Neuen Zürcher Zeitung». Das Zitat stammt aus einem E-Mail Denglers an seine «lieben Kolleginnen und Kollegen» vom 27. Juni. Weil CEO Dengler ein viel beschäftigter Mann ist – «Sitzungen, Ausland, Ferien», so seine Sprecherin – lesen Sie seine Antworten auf die Frage, wie sein Statement genau gemeint war, erst nächste Woche an dieser Stelle.

Aber Serien leben schliesslich von guten Cliffhangern. Und zu schreiben gibt es in Sachen NZZ genug. Etwa über den aktuellen Ärger in der Ostschweiz. Dort verfügt die NZZ mit ihrer Tochter, dem «St. Galler Tagblatt», über das Printmedien-Monopol im Tagesgeschäft.

Trotz Monopol muss gespart werden: Seit Montag erscheint das «St. Galler Tagblatt» mit zwei statt vier Bünden. Zehn Stellen wurden gestrichen. Das hat zu Protesten geführt: Ein Künstler sammelte 1500 Unterschriften gegen die Streichung der lokalen Kulturseite.

«Tagblatt»-Chefredaktor Philipp Landmark hält dagegen, die Straffung und Streichung bedeute weniger behördliche Verlautbarung, mehr pointierten Journalismus.

Diese Worte hält man im eigenen Haus für Schönfärberei, wobei sich die Kritik in erster Linie nach Zürich richtet: Jahrelang habe man in St. Gallen schwarze Zahlen geschrieben, die Gewinne seien ins Mutterhaus geflossen. Wo ist das Geld geblieben? Wir geben diese Frage an CEO Dengler weiter. Er wird sie nächste Woche an dieser Stelle beantworten.

Einen stilleren, aber schwergewichtigen Protest gab es bereits vor zwei Jahren: Der damalige langjährige «Tagblatt»-Kulturchef wechselte für den halben Lohn zur einzig verbliebenen lokalen Konkurrenz, dem monatlich erscheinenden Kulturmagazin «Saiten», weil eine fundierte, seriöse Kulturberichterstattung im «St. Galler Tagblatt» nicht mehr möglich sei. Das war lange vor der jetzigen Sparrunde.

Der nächste Protest gegen die NZZ steht im Thurgau an, wo seit 2010 die «Thurgauer Zeitung» als Lokalausgabe des «St. Galler Tagblatts» erscheint. 46 Kantonsräte verlangen vom Regierungsrat eine Stellungnahme: Sie fühlen sich von der NZZ betrogen. Entgegen anderen Versprechungen bei der Übernahme werde der Thurgauer Lokaljournalismus schrittweise liquidiert. Seit die NZZ die «Thurgauer Zeitung» vor vier Jahren übernommen hat, ist die Auflage von 43 000 auf 36 000 geschmolzen.

Dabei ist die «TZ», wie sie im Volksmund heisst, in den letzten fünfzehn Jahren publizistisch besser geworden. Warum also der Absturz? Womöglich geht es unter anderem um banale Dinge wie verletzten Lokalstolz. Natürlich findet es die NZZ-Konzernsprecherin im noblen Zürcher Seefeld unproblematisch, dass etwa die Lokalredaktion Kreuzlingen geschlossen wurde und die zweitgrösste Stadt des Kantons nun von Weinfelden aus betreut wird. Natürlich sehen die Leute das in den Beizen in Kreuzlingen anders. Die einzige Zeitung im Thurgau sei immer spürbarer ein St. Galler Tagblatt mit Zürcher Hintergrund. Die trotzige Alternative heisst Internet. Das ist vielleicht lokal weniger fundiert, dafür gratis. Und mit der kleinen, aber feinen Plattform thurgaukultur.ch hat sich dort in den letzten Jahren bereits eine erste lokale Alternative etabliert.

Daniel Ryser ist WOZ-Redaktor.