Editorial: Vom Schwimmen in Seen und Flüssen

Nr. 29 –

Jetzt stehen wir wieder knietief in allen Events des Sommers. Die Fussball-WM ist gerade vorbei. Die Schlammschlacht von Frauenfeld ist bei SRF unter «Jugendkultur» abgehakt worden, und die Festspiele Zürich brechen BesucherInnenrekorde. In Schaffhausen wurde gefochten wie zu alten Ritterzeiten, und in Bern plant die Reitschule einen alternativen 1. August.

«Event» ist zweifellos das Unwort des letzten Jahrzehnts. Jede Veranstaltung, jeder Anlass soll dadurch hip werden. Und marktmässig konsumierbar. Konsum fasst menschliche Beziehungen in der Form des Warentauschs, vulgo Kapitalismus. Aber darin steckt auch ein stofflicher Austausch mit Menschen und Dingen. Was wir konsumieren, lässt Spuren, Gefühle, Erfahrungen in uns zurück.

Der Sommer ist die Zeit der Zerstreuung. Zerstreuung kann uns auch in ungeahnte Weiten, in unbekannte Gebiete schweifen lassen. Beim Schwimmen in Seen und Flüssen wird der Blick gelassen und mild. «Natürlich», schrieb der junge Bert Brecht, «muss man auf dem Rücken liegen. Und sich treiben lassen.»

Es gibt dieses alte Gerücht, die Linke sei genussfeindlich. Es gibt dieses alte Klischee von den CüplisozialistInnen. Dazwischen wandelt die WOZ auf dialektischem Pfad. Im vorliegenden Sommerdossier umkreisen wir die Warenwelt. Das «Journal des Luxus und der Moden» brachte vor 200 Jahren all die neuen lockenden Dinge kulturgeschichtlich sinnfällig vor Augen. Das möchten wir hier auch ein wenig tun. Zeigen, wie Waren entstanden sind und wie sie verkauft werden, aber eben auch: welchen Genuss sie bieten.

Das Schwimmen in Seen und Flüssen soll darob nicht vergessen gehen.