Medientagebuch: Rettet bitte das «P.S.»!

Nr. 37 –

Susan Boos plädiert für die linke Konkurrenz

Jetzt sammeln sie schon wieder Geld. Das ist nicht lustig, wir wissen es. Der WOZ geht es zurzeit ganz ordentlich, nicht aber der lokalen Konkurrenz, dem «P.S.».

«Gesucht: 150 000 Franken, damit P.S. weiterlebt», steht auf der Front der neusten Ausgabe. «P.S.», das sich selber «die linke Zürcher Zeitung» nennt, hat im Frühjahr sein fünfzehnjähriges Bestehen gefeiert.

Eigentlich ist das Blatt viel älter. Es erinnert an die Vögel, die Nachkommen der Dinos sind. Man sieht ihnen die Abstammung nicht an, aber das Erbgut ist noch da – so ist das auch beim «P.S.». Es trägt noch die DNA der linken Schweizer Presse in sich.

Nicht dass diese dinogleich das Land beherrscht hätte, aber sie hatte ihre Blütezeiten. Um 1900 wurden landauf, landab linke Zeitungen gegründet. Sie hiessen «Volksstimme», «Tagwacht», «Freie Innerschweiz» oder «Freier Aargauer». Das Zürcher «Volksrecht» erschien ab 1898 als sozialdemokratisch-gewerkschaftliche Tageszeitung. Anfang der siebziger Jahre wurde es in «Zürcher AZ» umgetauft, wobei «AZ» für Arbeiterzeitung stand. Ende der siebziger Jahre erhielt die Zeitung ihren alten Titel zurück, öffnete sich in den neunziger Jahren, hiess für einige Jahre «DAZ» und ging 1997 ein.

Man hätte längst eine linke Tageszeitung für die ganze Schweiz schaffen müssen. Aber das ging nicht, es gab zu viel Zoff und zu wenig Geld. Eine Arbeiterzeitung nach der anderen starb. Es war traurig anzuschauen.

Als Einzige hat die «Schaffhauser AZ» bis heute überlebt – als Wochenzeitung. Und eben Koni Loepfes «P.S.». Loepfe war bereits beim «Volksrecht» und der «DAZ» dabei, hatte dort viele Turbulenzen miterlebt. Als die «DAZ» einging, wollte er nicht einfach aufgeben und gründete – damals auch Präsident der SP der Stadt Zürich – das «P.S.», das seither links, frei und unabhängig über Zürich berichtet.

Loepfe ohne Zeitung geht einfach nicht. Er schreibt und schreibt. Für ihn ist Journalismus Politik mit anderen Mitteln. Und nun sammelt er also wieder Geld. Zum fünften Mal seit Bestehen des Blatts. Aber diesmal gehts um mehr.

Loepfe ist 67, er will seinen Platz frei machen. Das Problem ist nur, dass er nicht einfach zu ersetzen ist. «Ich muss – und ich will auch – als Verleger und als Verantwortlicher für die Zeitung zurücktreten», schreibt er: «Die Sache hat einen Haken: Ich beziehe einen Lohn von 1700 Franken.» Seine Frau verdient gut, deshalb konnte er sich das leisten. Um ihn nun aber abzulösen, braucht es einen zusätzlichen Lohn. Rechnet man das diesjährige Defizit dazu und schlägt noch etwas für einen neuen Webauftritt drauf, benötigt die Zeitung bis Anfang des nächsten Jahrs 150 000 Franken. «Ich habe als Verleger das Defizit eingefahren, und ich sehe es als meine Aufgabe, mit dieser Spendenaktion, die mir nicht ganz so leicht fällt, dafür zu sorgen, dass die Nachfolge wenigstens mit einer schwarzen Null beginnen kann», sagt Loepfe. Wenn das Geld zusammenkommt, soll spätestens am 1. Februar 2015 das erneuerte Team übernehmen.

Seien wir ehrlich: Das Blatt wirkt aus der Zeit gefallen, und die Website hat die Anmutung eines Flugsauriers. Aber eine Zeitung lässt sich renovieren. Doch ist sie erst einmal tot, wird sie nicht wiederauferstehen. Das wäre ein Drama. Es würde leerer um die WOZ. Das wäre schlecht. Und machte die Linke schwach. Gescheite Dispute brauchen linke Medien – je mehr, desto besser. Also, liebe ZürcherInnen, rettet bitte das «P.S.»!

Susan Boos ist Redaktionsleiterin der WOZ.