Durch den Monat mit Edith Siegenthaler (Teil 3): Was lief da schief?

Nr. 38 –

WOZ: Am vergangenen Donnerstag war die 900-Velo-Aktion gegen Atomkraftwerke. Wie war es?
Edith Siegenthaler: Wirklich gut. Es hat Spass gemacht, und die Leute hatten Freude.

Sind Sie erleichtert?
Ja! Ich war recht nervös, wegen der Ansprache, die ich halten musste. Obwohl es nur darum ging, zu moderieren. Wie man das eben so macht ...

Und, wie macht man das «eben so»?
So lange es möglich war, habe ich versucht, nicht daran zu denken. Und dann habe ich es einfach durchgezogen. Aber eigentlich hätte ich noch mehr sagen wollen. Dass die AKWs zu tief versichert sind und dass sie deswegen den Strommarkt verzerren. Es stand auf meinem Zettel, aber ich war zu nervös, um alles abzulesen. Zum Glück ist es niemandem aufgefallen, die anderen fanden meine Rede alle gut.

Wem haben Sie das Mikrofon weitergegeben?
Wir konnten drei Redner verpflichten. Die Nationalräte Ruedi Rechsteiner und Christian van Singer sowie Isabelle Chevalley von Ecologie libérale. Sie 
alle engagieren sich gegen Atomkraftwerke.

Ruedi Rechsteiner ist seit 1991 Präsident der Organisation Nie wieder Atomkraftwerke (NWA). Konnten Sie von seinen Erfahrungen profitieren?
Wir hatten vor allem mit Aernschd Born zu tun, dem Öffentlichkeitsbeauftragten von NWA. Er ist seit den Siebzigern in der Anti-AKW-Bewegung aktiv.

Wie hat er Ihnen geholfen?
Das Projekt stand bereits, als er dazu kam. Er hat uns vor allem in logistischen Dingen geholfen und die Aktion immer voll unterstützt.

In den siebziger Jahren torpedierten die AktivistInnen in Kaiseraugst ein millionenschweres AKW-Projekt. Können Demonstrationen heute überhaupt noch so eine enorme Wirkung haben?
Schwer zu sagen. Damals konnte man mit der Besetzung eines Geländes einen Skandal auslösen. Aber auch die Energiekonzerne haben ihre Lektion gelernt. Sie sind heute auf einiges gefasst. Um sich abzusichern, haben sie unglaublich viel Geld in Lobbyarbeit gesteckt. Und heute glaubt ein Teil der Bevölkerung, Atomkraftwerke seien umweltfreundlich. Wenn deswegen ein neues AKW bei einer Abstimmung durchkäme, hätten die Demonstranten ein Legitimationsproblem.

Die Velodemo war ja eher harmlos. Was halten Sie von radikaleren Aktionen, wie Greenpeace sie oft veranstaltet?
Warum nicht? Wenn alle Stricke reissen, könnte ich mir das vorstellen. Vor kurzem wurden in Beznau Greenpeace-Aktivisten verzeigt, weil sie gegen den Neubau von AKWs demonstrierten. Bei solchen Aktionen muss man sich rechtlich absichern können. Damit hat Greenpeace mehr Erfahrung als wir.

Sie haben mit Ihrer ersten Demo nun auch einige Erfahrungen sammeln können. Was werden Sie das nächste Mal anders machen?
Das nächste Mal werden wir noch mehr Kontakt zu Partnerorganisationen und Aktivistengruppen suchen, damit mehr Werbung für unsere Aktion gemacht wird.

Weshalb brauchen Sie dafür andere Organisationen?
Ich habe das Gefühl, die Leute kommen erst, wenn sie zweimal von einem Anlass hören – möglichst aus verschiedenen Quellen. Zum Beispiel auf einem Flyer und dann noch per Newsletter. Wenn man nur ein einziges Mal davon hört, wirkt eine solche Aktion immer etwas suspekt.

Offenbar lassen sich Jugendliche heute über Internetcommunities wie Facebook mobilisieren ...
Wir haben auch eine Facebook-Gruppe. Aber das ist etwas sehr Unverbindliches. Wenn auf Facebook zu einem Massenbesäufnis aufgerufen wird, dann wird das im Vorfeld breit in den Medien diskutiert. Und später heisst es in den gleichen Medien, das sei ein Internetphänomen. Das wird überbewertet.

Zu Ihrer Aktion war das Presseecho eher klein ...
Es wurde zu wenig darüber berichtet.

Was ist da schief gelaufen?
Wir hätten vielleicht mehr Pressearbeit machen können. Aber wir hatten auch Pech: Um den 11. September war viel los, sodass wir in den Medien keinen Platz fanden. Es war natürlich eines unserer Ziele, dass unser Argument breit diskutiert wird. Dass die Sache mit der Marktverzerrung allen Leuten wirklich klar wird. Das haben wir nicht ganz erreicht.

Edith Siegenthaler (25) organisierte am 11. September 2008 eine Aktion mit 900 Velos gegen AKWs. Am 20. September 2008 findet in Benken eine internationale Kundgebung für eine «Zukunft ohne atomare Risiken» statt: 
www.klar-schweiz.com