Vaterschaftsurlaub: Elternzeit in der Steinzeitschweiz

Nr. 21 –

Die konservative Schweiz hält in Sonntagspredigten die Familie hoch. Geht es darum, ein gutes Familienleben zu ermöglichen, also Wort zu halten, wird sie knausrig. Väter sind offenbar für die Entwicklung von Kindern eine vernachlässigbare Grösse. Bislang steht Vätern von Gesetzes wegen ein Tag Vaterschaftsurlaub zu. Rasch bei der (unkomplizierten) Geburt dabei sein und dann wieder ab an die Arbeit. Damit steht dieses existenzielle und folgenreiche Ereignis auf einer Stufe mit einem Zügeltag.

Jetzt tut sich ein bisschen was. Vor einem Monat hat die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrats (SGK-N) einem zweiwöchigen Vaterschaftsurlaub zugestimmt, den eine parlamentarische Initiative verlangte. Sagt die ständerätliche Schwesterkommission ebenfalls ja, wäre ein kleiner Schritt weg von einer in familienpolitischer Hinsicht erbärmlich verfassten Gesellschaft getan – sofern das Gesetz im Parlament eine Mehrheit findet.

Für die Vorbereitung der Männer auf einen imaginären Krieg existiert seit Jahrzehnten ein gut gefülltes Kässeli. Die Wirtschaft zahlt klaglos an dieses weitgehend unproduktive Unterfangen. Geht es um eine Investition ins Leben, sondert der Schweizerische Arbeitgeberverband die übliche Propaganda ab: Man könne sich einen Vaterschaftsurlaub angesichts der Wirtschaftslage nicht leisten.

Über Mutter- und Vaterschaftsurlaub wäre durchaus zu diskutieren. Diese Lösungen sind jedoch auf die Kleinfamilie abgestimmt, nicht auf die gesellschaftliche Realität. Wirklich fortschrittlich verfasste Gesellschaften wie die schwedische kennen seit Jahrzehnten eine Elternzeit und seit 1994 speziell eine Elternzeit für Väter. Aber selbst der Begriff der Elternschaft bildet nicht mehr die ganze Realität ab. Was ist mit lesbischen Paaren, die gemeinsam ein Kind aufziehen? Was mit sozialer Elternschaft? Intelligenter wäre ohnehin, die Sache mit der Geburt von den Bedürfnissen des Kleinkindes her zu denken. Aber das übersteigt den Horizont und die Fantasie der grossen Mehrheit von Schweizer PolitikerInnen.