Bodenpolitik: Basler Boden soll Gemeingut bleiben

Nr. 27 –

Wer Boden besitzt, kann bestimmen, was darauf passiert. Deshalb fordert die «Neue Bodeninitiative» aus Basel-Stadt, dass der Kanton sein Land nicht mehr privatisiert, sondern nur noch im Baurecht abgibt.

Dass der Kanton nicht nur Grundstücke, Häuser oder eine Markthalle an Investoren verkauft, sondern gleich eine ganze Strasse – das hat in Basel selbst die aufgeschreckt, die sich sonst nicht für Stadtentwicklung interessieren. Zumal die Hüningerstrasse dabei nicht nur in Privatbesitz wechselte, sondern gerade auch noch geschlossen wurde. Das war der Deal. So entstand der sogenannte Novartis-Campus: ein gut zwanzig Hektaren grosses Werkareal, das für die Öffentlichkeit nicht zugänglich ist. Der versprochene Rheinuferweg, den der Basler Pharmakonzern als Ausgleich bauen wollte, ist bis heute nicht fertig. Dem Kanton aber sind die Hände gebunden, schliesslich ist er nicht mehr Eigentümer des Bodens.

Vorauseilender Gehorsam

Dabei wäre ein Verkauf gar nicht nötig gewesen, meint Klaus Hubmann, Geschäftsführer der Stiftung Habitat und Mitinitiant der Stadtbasler Bodeninitiative. Der Stadtkanton hätte das Land genauso gut behalten und im Baurecht abgeben können. «So hätte man in hundert Jahren schauen können, ob man die Strasse nicht doch noch mal braucht. Und ob es Novartis dann überhaupt noch gibt.»

Trotzdem entschied sich der Regierungsrat im Jahr 2006 für den Verkauf. Und sogar im Grossen Rat fand sich eine Mehrheit dafür. Zwar muss der Verkauf von Liegenschaften in Basel-Stadt eigentlich nicht durchs Parlament – in diesem Fall aber lagen gleich vier Einsprachen vor. Alle blieben sie jedoch erfolglos. Warum? Hubmann zögert nicht mit seiner Antwort: «Da geht es um ganz, ganz viel Geld.» Und wenn Novartis mit einer Verlegung ihres Hauptsitzes droht, dann übereignet man ihr auch eine Strasse.

Damit der Kanton in Zukunft nicht mehr derart unter Druck gesetzt werden kann, soll nun ein Gesetz her, das den Verkauf öffentlicher Liegenschaften grundsätzlich verbietet. So will es die Basler Bodeninitiative, die gemeinsam vom Dachverband der Wohngenossenschaften in der Nordwestschweiz, der Stiftung Edith Maryon sowie der Stiftung Habitat lanciert wurde. Sie fordert, dass Boden an Dritte nur noch im Baurecht vergeben wird.

Beim Baurecht handelt es sich um eine Art langfristigen Mietvertrag für Grundstücke. Dabei bliebe der Boden im Besitz des Kantons, dürfte bebaut und genutzt werden, fiele aber nach spätestens hundert Jahren an den Kanton zurück (vgl. «Eigentlicher Knackpunkt: die Grundstücksmiete» im Anschluss an diesen Text).

Zürich kann mitreden

In Zürich gehört diese Praxis längst zum Alltag. Mit Ausnahme von sogenannten Briefmarkengrundstücken werden öffentliche Liegenschaften innerhalb des Stadtgebiets nur noch im Baurecht oder im Tausch gegen ein anderes Grundstück vergeben, erklärt Thomas Schlepfer vom Finanzdepartement der Stadt Zürich. Und anders als in Basel muss in der Stadt Zürich jeder Verkauf städtischer Liegenschaften mit einem Verkehrswert von über einer Million Franken durchs Parlament, kann also nicht vom Stadtrat allein beschlossen werden. So ist es in der Gemeindeverordnung von 1970 festgelegt. Für Thomas Schlepfer spricht einiges für das Baurecht: «Erstens ist es demokratisch, denn die zukünftigen Generationen können nach spätestens hundert Jahren neu entscheiden, was sie mit dem Boden machen wollen. Zweitens kann der Eigentümer – also die Stadt – durch Auflagen im Vertrag konkret mitbestimmen, wie das Grundstück genutzt wird.»

Die Stadt Zürich kann also zum Beispiel bei der Wohnungsgrösse oder dem Mietpreis mitreden – und dadurch aktiv Wohnbaupolitik gestalten. «Bei Privateigentum», so die Erfahrung von Thomas Schlepfer, «sind architektonische, ökologische oder soziale Auflagen dagegen kaum durchsetzbar.» Ein dritter Punkt, der laut Schlepfer für das Baurecht spricht: Die steigenden Bodenpreise kommen der Allgemeinheit zugute – und nicht den InvestorInnen. Und viertens hält der Departementssekretär eine Vergabe im Baurecht finanzpolitisch auch für nachhaltiger als einen Verkauf. Denn die Baurechtszinsen, also die Miete für das Grundstück, garantieren der Stadt Zürich regelmässige Einnahmen: Mehr als acht Millionen Franken im Jahr sind das allein für die Wohngrundstücke im Zürcher Eigentum.

Dass sich eine Landvergabe im Baurecht auch finanziell rechnet, ist sicher kein unwichtiges Argument für jemanden, der im Finanzdepartement Wohnbaupolitik macht. «Aber uns geht es gar nicht darum, eine Rendite zu erzielen», erklärt der Departementssekretär. «Die Zinsen für Genossenschaften und andere gemeinnützige Organisationen orientieren sich hauptsächlich an den Baukosten.» Sprich: Sie müssen sich nicht am Marktpreis ausrichten – also danach, was ein privater Investor für das Grundstück heute zahlen würde.

Zu teuer für Genossenschaften

Boden im öffentlichen Besitz ist also nicht per se ein Garant für eine gemeinnützige Wohnungspolitik. Warum, so könnte man fragen, sollte Grund und Boden dann überhaupt in öffentlicher Hand sein? «Das ist die Grundvoraussetzung, um überhaupt gestalten zu können – und die Politik in die Verantwortung zu nehmen», meint Patrizia Bernasconi. Sie sitzt für die BastA! im Grossen Rat von Basel-Stadt und leitet den Basler MieterInnenverband. «Aber dann kommt die heikle Frage nach der Höhe des Baurechtszinses.» Kurz gesagt: Setzt man ihn möglichst tief an, um auch soziale Mieten zu ermöglichen, oder lieber möglichst hoch, um eine gute Rendite für den kantonalen Haushalt zu erwirtschaften?

Tatsächlich orientiert sich der Baurechtszins in Basel am Verkehrswert, den Gewinn wiederum teilen sich der Kanton (als Eigentümer) und der Baurechtsnehmer (also der Nutzer des Grundstücks). Betriebswirtschaftlich rechnet sich das: So erzielte Basel-Stadt im Jahr 2012 aus seinen Baurechtsverträgen eine Rendite von über fünf Prozent. «De facto», sagt Patrizia Bernasconi, «können sich einige Genossenschaften den Zins heute allerdings gar nicht mehr leisten, wenn er am Markt ausgerichtet ist.»

Die Stadt Zürich hat das Basler Modell im Jahr 1996 geprüft – und für zu kompliziert befunden. Vor allem aber sei es nicht kompatibel mit der Kostenmiete, wie sie für alle gemeinnützigen Wohnungen vorgegeben ist, erklärt Thomas Schlepfer vom Zürcher Finanzdepartement. Denn die Kostenmiete richte sich ja gerade nicht am Markt aus, sondern sei gesetzlich festgeschrieben. Kurz gesagt: «Eine Gewinnbeteiligung wie in Basel ist in Zürich nicht mit dem Prinzip einer Kostenmiete vereinbar, weil diese eben keinen Gewinn vorsieht.»

So technisch das klingt: An der Frage, wie die öffentliche Hand den Baurechtszins berechnet, entscheidet sich also, was für eine Bodenpolitik sie betreibt. Denn je höher der Zins für das Grundstück ist, umso mehr Miete muss der Baurechtsnehmer dann wiederum für seine Wohnungen oder Gewerberäume von Dritten verlangen.

Ein überraschender Schachzug

Basel nimmt das Instrument Baurecht eher für die Wirtschaftsförderung in Anspruch: So steht zum Beispiel das gesamte Areal der Messe, eines börsennotierten Unternehmens, auf Baurechtsparzellen. Der Kanton verlangt dort einen Baurechtszins von 25 bis 30 Franken pro Quadratmeter im Jahr. Für die zentrale Lage der Messe kann das durchaus als Subvention bezeichnet werden. Zum Vergleich: Genossenschaften zahlen 30 bis 50 Franken.

Verkauft wird heute allerdings auch in Basel nur noch wenig. Unter der SP-Finanzdirektorin Eva Herzog hat man in den letzten Jahren nur noch Parzellen verkauft, die «nicht in unser Portfolio passen», wie es in einer Broschüre von 2007 zur Immobilienstrategie des Kantons heisst. In der Verwaltung ist offenbar die Erkenntnis angekommen, dass Boden nicht nur eine gute Rendite einbringt, sondern auch zunehmend knapper wird – gerade in einem Stadtkanton wie Basel.

Der Basler Grossrat hat die Bodeninitiative im Dezember 2014 dennoch abgelehnt ebenso wie den Gegenvorschlag des Regierungsrats – wenn auch nur knapp durch einen Stichentscheid. Daraufhin griffen die InitiantInnen zu einem überraschenden Schachzug: Sie zogen ihre Bodeninitiative kurzerhand zurück und lancierten im Januar 2015 den Gegenvorschlag der Regierung eins zu eins als sogenannte «Neue Bodeninitiative». Dieser entschärft zwar das generelle Verkaufsverbot: Der Kanton dürfte dann eigenes Land nur veräussern, wenn es gegen anderes getauscht oder innerhalb von fünf Jahren durch einen Zukauf anderer Flächen ausgeglichen würde.

Die Kernforderung aber bleibe dieselbe, findet Klaus Hubmann: «Nämlich, dass unser Tafelsilber nicht weiter verscherbelt wird.» Und dafür reiche keine Immobilienstrategie, die sich auch schnell mal wieder ändern liesse. «Da muss jetzt ein Gesetz her.» Am Hafen warten schliesslich schon die nächsten InvestorInnen.

Baurecht : Eigentlicher Knackpunkt: die Grundstücksmiete

Bodenpolitik kann die öffentliche Hand, grob gesagt, auf zwei Arten betreiben. Zum einen über Raumplanungsgesetze: Die geben vor, welches Land wie genutzt werden darf – also wo zum Beispiel Zonen für Wohnen, Gewerbe oder Natur entstehen sollen. Das Problematische an diesen gesetzlichen Vorgaben ist, dass sie nur begrenzt wirksam sind. Denn konkret umgesetzt werden sie erst auf Gemeindeebene – und dort kollidieren sie häufig mit anderen Prioritäten wie beispielsweise der Ansiedlung von Gewerbe.

Am wirksamsten lässt sich Bodenpolitik betreiben, wenn die öffentliche Hand selbst die Eigentümerin ist. Denn so lässt sich bestimmen, wofür der Boden genutzt werden soll. Die öffentliche Hand kann dann entweder selbst bauen – oder die Grundstücke im Baurecht an Dritte weitergeben. Ein Baurecht ist letztlich ein Mietvertrag über eine Dauer von mindestens dreissig, höchstens aber hundert Jahren. Das Grundstück bleibt also im öffentlichen Eigentum, der Mieter (oder korrekt: Baurechtsnehmer) darf es nutzen und bebauen. Nach höchstens hundert Jahren fällt es dann zurück an den Eigentümer, der eine Entschädigung für die Bauten zahlt.

Der Vorteil am Baurecht: Die öffentliche Hand bleibt Eigentümerin des Grundstücks, muss es nicht selbst bebauen, kann aber dennoch im Baurechtsvertrag konkrete Vorgaben zur Bauweise, Wohnungsgrösse, Belegungsart et cetera machen. Der eigentliche Knackpunkt dabei ist die Höhe des Baurechtszinses (also der Miete für das Grundstück). Oder besser gesagt: wonach dieser berechnet wird. Die Politik entscheidet letztlich darüber, ob sie ihn am Marktpreis ausrichtet – oder ob er vor allem kostendeckend sein soll. Im ersten Fall handelt sie profitorientiert und generiert Einnahmen für die Staatskasse, im zweiten Fall ermöglicht sie günstige Wohn- beziehungsweise Gewerbeflächen.

Stefanie Müller-Frank