Visionen: Die Postkartenschweiz schlägt zurück

Nr. 34 –

Die viel gepriesene Bergluft wird ja gerade schwer verleumdet von einer jungen Generation des Schweizer Kinos. «Heimatland» heisst der Film, in dem sich aus dem alpinen Herzen der Schweiz heraus eine Monsterwolke über das ganze Land ausbreitet (siehe WOZ Nr. 33/2015 ). Und schon in «Chrieg» (2014) wurden die Alpen quasi geschändet von einer rabiaten Problemjugend, die sich jeder Ergriffenheit widersetzte.

Aber keine Sorge, die Postkartenschweiz bereitet jetzt den doppelten Gegenschlag vor, und die betreffenden Trailer fahren schon mal scharfes Geschütz auf: herzige Kinder, Geissen à gogo – und Bruno Ganz als Alpöhi. Das wird ein rechtes Gebimmel und ein bergseliges Gemecker sein; erst kommt der «Schellen-Ursli» von Oscar-Preisträger Xavier Koller in die Kinos, nach dem gleichnamigen Kinderbuch von Selina Chönz und Alois Carigiet. Und zur Weihnachtszeit dürfen wir uns dann am guten alten «Heidi» wärmen, neu verfilmt von Alain Gsponer. Also erst die neoliberale Parabel aus dem Engadin, in der es letztlich darum geht, wer die grösste Glocke mit dem lautesten Klöppel hat, und dann das Rührstück über die heilende Kraft der Berge, von dem Waisenmädchen, das am Busen des Grossvaters seine wahre Heimat findet droben, auf der Alp.

Generalstabsmässige Folklore vor gepützelter Naturkulisse, dazu die bärtige Nostalgie väterlicher Autoritäten: Da weiss man doch gleich wieder, wofür es sich lohnt, die gottgegebene Pracht unseres Landes gegen alles Fremde zu verteidigen. Das bitterböse «Heimatland» wird dagegen natürlich auf verlorenem Posten stehen. Die Wolke des Unbehagens wird keine Chance haben gegen den Frohsinn der geballten Bergseligkeit, der landauf, landab die Kinos besetzen wird. Aber Heimatland, und auch wenn der Film in Locarno erwartungsgemäss leer ausging: Wir werden noch merken, wie nötig wir ihn haben, im kommenden Herbst!

«Schellen-Ursli» kommt am 15. Oktober 2015 
ins Kino, «Heimatland» folgt am 12. November 2015, «Heidi» am 10. Dezember 2015.