Spanischer Bürgerkrieg: Der Mythos der Internationalen Brigaden

Nr. 45 –

Vor 75 Jahren entstand eine linke Hoffnung: die Internationalen Brigaden im Spanischen Bürgerkrieg. Zahlreiche Schweizer kämpften mit. Wer waren die Freiwilligenverbände wirklich?

Am 7. November 1936 standen General Francos Truppen am Stadtrand von Madrid. Der Fall der Hauptstadt schien besiegelt, und damit auch das Ende der erst fünf Jahre alten spanischen Republik. Doch die Stadt widerstand überraschend dem Grossangriff Francos, der von Mussolini und Hitler unterstützt wurde und militärisch überlegen war. Schriftsteller sprachen vom «Wunder von Madrid». Das Wunder hatte einen Namen: die Internationalen Brigaden. «¡No pasarán!» (Sie werden nicht durchkommen) hiess die Losung des Widerstands, die zum geflügelten Wort wurde.

Die Idee, Freiwillige zur Unterstützung der bedrohten Republik nach Spanien zu schicken, entstand im linksgewerkschaftlichen Milieu Westeuropas, und zwar schon bald nach Francos Militäraufstand am 17. Juli 1936. Hauptmotor war die Überzeugung, ein weiterer Vormarsch des europäischen Faschismus müsse gestoppt werden. Die ersten Freiwilligen, darunter auch einige Dutzend Schweizer, kämpften kurz nach dem Putsch in den republikanischen Milizen. Die Brigaden entstanden jedoch erst im Oktober 1936, als sich Stalin zum Eingreifen in Spanien entschloss. Dank des logistischen Netzes der Kommunistischen Internationale (Komintern) gelangten Hunderte von Freiwilligen über Sammelzentren in Paris und Lyon nach Spanien. In Albacete wurden sie dann für den Fronteinsatz trainiert.

Doch dafür blieb kaum Zeit. Die eilig zusammengestellte XI. Internationale Brigade, die erste von insgesamt fünf, musste schon bald nach Madrid abkommandiert werden, als Franco vor den Toren stand. Rund 2000 Mann, notdürftig bewaffnet, verteidigten die Stadt. Die Freiwilligen allein hätten Franco nicht aufhalten können. Es brauchte die spanischen Milizen und eine zum Widerstand entschlossene Zivilbevölkerung. Enorm war jedoch die psychologische Bedeutung dieser Intervention: Sie führte der in Europa politisch isolierten Republik eine internationale Solidarität vor Augen, die Begeisterung und neuen Kampfwillen auslöste.

Gefallen, verurteilt, geächtet

Unter den Brigadisten in Madrid war auch der 23-jährige Schriftsetzer Ernst Kellenberger aus Rorschach. Zu Hause war er arbeitslos und so schlecht dran gewesen, dass er sich von der Heilsarmee unterstützen lassen musste. Bereits im August 1936 kämpfte er in Spanien bei den Milizen, bevor er sich den Interbrigaden anschloss. In einem Brief an die Eltern schrieb er, er könne leider kein Geld schicken, man solle aber der Heilsarmee gedenken. Kellenberger fiel am 7. Januar 1937. Fünf Tage später verurteilte ihn das St. Galler Divisionsgericht wegen «Schwächung der Wehrkraft» durch fremden Militärdienst zu sechs Monaten Gefängnis. Ohne es zu wissen, hatten die Militärrichter einen Toten verurteilt.

Mit Kellenberger fielen noch elf weitere Schweizer bei der Verteidigung Madrids. Der erste war der Zürcher Schreiner Willy Krieg, 22  Jahre alt und aktives Mitglied der SP-Jugendgruppe Rote Falken. Er fiel am 19. November 1936 in Casa de Campo. Ein paar Tage später kam der 29-jährige Tessiner Numa Rossi aus Biasca um. Der Maler-Gipser und Gemeinderat war mit zwei Kollegen nach Spanien gezogen, um die angegriffene Republik zu verteidigen.

In den Interbrigaden kämpften Leute aus über fünfzig Nationen. Sogar Argentinier und Chinesen waren dabei, aber fast keine Russen. Insgesamt zählten die Brigaden rund 35 000 Freiwillige. Dies ist ein Indiz für die damalige Organisationsmacht der Komintern, die ansonsten eher erfolglos war. Vor allem aber ist es ein Indiz für die globale antifaschistische Solidarität. Es ist durchaus begründet, wenn die Brigaden als «grösste Solidaritätsbewegung der Geschichte» bezeichnet wurden. Doch der Heldenmythos verdeckte lange Zeit die historische Wirklichkeit. Die Überhöhung durch die kommunistische Propaganda trug dazu ebenso bei wie der Franquismus, der die Brigaden als «Söldner Stalins» brandmarkte.

Schweizer Diplomatie versagte

Auch rechte Mythen waren dauerhaft, etwa die These, die Interbrigaden seien eine «Komintern-Armee» gewesen. Darin ist unschwer die franquistische Propaganda von den «Söldnern Stalins» zu erkennen, welche die aufständischen Militärs zur Legitimierung ihres Putsches gegen die Republik verbreiteten. Diese Propaganda beeinflusste auch die Schweizer Diplomatie. Für den katholisch-konservativen Aussenminister Giuseppe Motta war der Krieg in Spanien nichts als eine «bolschewistische Aktion». Der Schweizer Gesandte in Madrid, Karl Egger, sah in Spanien die «Dämonen eines entfesselten Kommunismus» am Werk. In den Brigadisten erblickte er eine «zweifelhafte Auslese von Zuchthäuslern».

Diese Herabwürdigung der Freiwilligen hatte politische Folgen. Als einige Schweizer 1938 den Franco-Truppen in die Hände fielen und in einem Konzentrationslager bei Burgos schwer misshandelt wurden, unternahm Mottas Aussendepartement nichts für ihre Freilassung. Das Parlament lehnte im Januar 1939 eine Amnestierung der Brigadisten ab, und nur wenige Tage später erkannte die Schweiz als erste Demokratie auf Betreiben Mottas den Diktator Franco an. Dies in der Hoffnung auf wirtschaftliche Profite. Vor der Schreckensherrschaft des Generals verschloss man einfach und gezielt die Augen.

Viele Brigadisten überlebten die fast drei Jahre währende spanische Kriegshölle nicht. Rund 180 der insgesamt 800 Schweizer Freiwilligen kehrten nicht mehr zurück. Von manchen ist ungewiss, wo sie überhaupt fielen. So galt der Schaffhauser Viktor Stuber lange als verschollen. Jüngste Recherchen ergaben, dass er im August 1938 im Militärhospital von Vilafranca bei Barcelona verstarb. Dorthin wurden die Verletzten aus der Schlacht am Ebro verbracht. Stuber wurde auf dem Friedhof in einem Massengrab beigesetzt, das erst kürzlich identifiziert wurde. Auch für die Schweiz ist die Bewältigung des Spanischen Bürgerkriegs noch nicht vorbei.

Peter Huber / Ralph Hug: «Die Schweizer Spanienfreiwilligen.» Biografisches Handbuch. Rotpunktverlag. Zürich 2009. 350 Seiten. 
58 Franken.

Literatur, Kunst und Film : Glanz und Elend der Revolution

Zum Mythos des Spanischen Bürgerkriegs haben schon früh Literatur, bildende Kunst und Film beigetragen. George Orwell und Ernest Hemingway – das sind die bekanntesten Schriftsteller, die den Spanischen Bürgerkrieg beschrieben haben, Pablo Picasso hat ihm die eindringlichste bildliche Form gegeben.

Bereits 1937 beschrieb Arthur Koestler, der später ein Kronzeuge gegen den Kommunismus wurde, in «Spanish Testament» («Ein Spanisches Testament», 1937) seine Erlebnisse als Kriegsberichterstatter und die vorübergehende Inhaftierung durch die Faschisten. Zur gleichen Zeit drehte der niederländische Filmemacher Joris Ivens «Spanish Earth» mit einem Text von Ernest Hemingway, der wie seine spätere Frau Martha Gellhorn als Kriegsberichterstatter engagiert war.

Die zeitgenössische Propaganda für die Spanische Republik kam vor allem von kommunistischer Seite. George Orwells «Homage to Catalonia» («Mein Katalonien») zeigte 1938 eine andere Perspektive. Orwell hatte sich einer Einheit der spanischen POUM angeschlossen, die als trotzkistisch galt. An der Nordfront erlitt Orwell durch einen faschistischen Heckenschützen einen Halsdurchschuss, zugleich erlebte er in Barcelona die blutigen Auseinandersetzungen zwischen der POUM und den Anarchisten einerseits, den Kommunisten andererseits und hielt dennoch an der Hoffnung auf eine solidarische Gesellschaft fest.

Noch populärer ist Ernest Hemingways «For Whom the Bell Tolls» («Wem die Stunde schlägt», 1940). Aus der Sicht eines US-amerikanischen Interbrigadisten geschrieben, wird darin auch ein Denkmal für die Kommunistenführerin Dolores Ibarruri errichtet. Das Buch wurde 1943 verfilmt. Der Film, hollywoodmässig ein wenig aufgepeppt, dokumentierte im Zweiten Weltkrieg dennoch eine antifaschistische Grundhaltung, und wer könnte der Liebesbeziehung zwischen Gary Cooper und Ingrid Bergman widerstehen?

Die wohl wirkungsmächtigste Darstellung ist Pablo Picassos Grossgemälde «Guernica» (1937) über die Zerstörung des gleichnamigen baskischen Dorfes durch die deutsche Legion Condor. Die Leiber von Menschen und Tieren sind verdreht, zerhackt, im kreatürlichen Schrei erstarrt, und nur eine kleine Öllampe reckt sich der Zukunft entgegen. Eine zweite Bildikone ist eine Fotografie von Robert Capa: ein republikanischer Soldat, von einer Kugel getroffen, nach hinten fallend.

Nach dem Zweiten Weltkrieg erschienen zahlreiche autobiografische Aufzeichnungen, etwa des kommunistischen Interbrigadisten Ludwig Renn («Der spanische Krieg», 1956) oder des Anarchisten Augustin Souchy («Nacht über Spanien», 1955). Vor allem Peter Weiss vergegenwärtigte in seiner grandiosen «Ästhetik des Widerstands» (1975–1981) den Spanischen Bürgerkrieg in allem Glanz und Elend der Revolution. 1995 schliesslich hat Ken Loach an Orwell angeknüpft und in seinem Film «Land and Freedom» den revolutionären Enthusiasmus des Spanischen Bürgerkriegs wiederzubeleben versucht. Er bleibt ein Symbol.

Stefan Howald