Kultour

Nr. 40 –

Konzert

Lady Lamb und vier Sirenen

Ab und an hysterisch, niemals flauschig: Lady Lamb präsentiert ihren experimentierfreudigen Folkrock in Zürich. Foto: Shervin Lainez

Namen können trügerisch sein, vor allem, wenn sie selbst gewählt sind: Aly Spaltro nennt sich auf der Bühne Lady Lamb, und das führt gleich doppelt in die Irre. Wie eine Lady wirkt sie nämlich nicht, dazu ist die junge Frau aus dem US-Bundesstaat Maine zu mädchenhaft, und als Lamm gibt sie sich schon gar nicht. Wer seinen Folkrock also gerne flauschig und fromm mag, ist bei Lady Lamb definitiv in der falschen Kirche. Die stürzt sich auf ihrem zweiten Album, «After», lieber frohgemut ins Glück der Experimentierfreude, kopfvoran und mit offenem Herzen. Das klingt gelegentlich hysterisch, nur manchmal beschaulich, aber immer aufregend wie eine jähe Erkenntnis, die uns in den banalsten Alltagsszenen jederzeit erwischen kann. So wie im Song «Spat out Spit», wo Lady Lamb beim Anblick einer gähnenden Frau im Zug plötzlich bewusst wird, dass der Mensch doch eigentlich aus tierischem Fleisch gebaut ist und das ganze Theater der Zivilisation womöglich nur ein Traum ist, aus dem wir in jedem Moment aufwachen können.

Einen trügerischen Namen führt auch die Band La Luz aus Seattle, die im Zürcher Bogen F für Lady Lamb eröffnen wird. Diese vier Frauen habens nämlich lieber schattig. Lässig rumpelt das Schlagzeug daher, die Surfgitarre galoppiert mit schönstem Twang-Effekt durch die Finsternis, und darüber schwebt mehrstimmig der Gesang dieser vier Sirenen der Nacht. «Surf noir» heisst die verführerische Stilbezeichnung, die sich La Luz dafür ausgedacht haben.

Lady Lamb in: Zürich Bogen F (Support: La Luz), Di, 6. Oktober 2015, 21 Uhr. www.bogenf.ch ; La Luz in: St. Gallen Millionaires Club, Mo, 5. Oktober 2015.

Florian Keller

Theater

Rascher Aufstieg, freier Fall

Vom Tellerwäscher zum Multimillionär: Das Berner Tojo Theater zeigt die dramatisierte Lebensgeschichte des Schweizer Auswanderers Johann August Sutter. Foto: Tojo Theater

Vom Tellerwäscher zum Multimillionär: Die Erfolgsgeschichte des Schweizer Auswanderers (oder Wirtschaftsflüchtlings) Johann August Sutter spielt sich klischeegetreu in Amerika ab. Sutter verliess die Schweiz und seine Familie im Jahr 1834. Er floh nach dem Bankrott seines Tuchhandels vor den Gläubigern. In Kalifornien begann er mit dem Aufbau eines eigenen Imperiums, das ihn zum Eigentümer des damals grössten Besitztums Amerikas machte.

Sein Glück sollte jedoch nicht ewig währen: Eines Tages wurde nämlich auf Sutters Land Gold gefunden. Im kalifornischen Goldrausch von 1848 bis 1854 stürmten GoldgräberInnen buchstäblich sein Land. Das entstehende Chaos brachte Sutter den Ruin; auch die Staatsmacht konnte nicht dagegenhalten. Mit der Anklage mehrerer Tausend Einzelpersonen und des kalifornischen Staats hatte Sutter zwar Erfolg vor Gericht, doch die nach Gold grabenden Massen waren durch keine Justiz aufzuhalten. Sie hinterliessen vergiftete Gewässer und Krankheiten, die Teile der verbliebenen indigenen Bevölkerung dahinrafften.

Sutters abenteuerliche Lebensgeschichte wird im Roman «Gold» des Schweizer Schriftstellers Blaise Cendrars erzählt. Eine Combo aus der Berner Theaterszene unter der Regie von Michael Oberer präsentiert einen «RapJazzSpokenwordAmbientTheaterabend» in Anlehnung an den Roman. Die Theatergruppe verweist mit der Inszenierung von historischem Stoff explizit auf die Gegenwart – auf das Streben nach Reichtum, aber auch auf den Zusammenbruch staatlicher Strukturen und das daraus entstehende Chaos.

«Gold» in: Bern Tojo Theater, Do–Sa, 1.–3. Oktober 2015, und Di–Sa, 6.–10. Oktober 2015, 20.30 Uhr; 
in: Herisau Alte Stuhlfabrik, Fr, 16. Oktober 2015, 
19.30 Uhr; in: Winterthur Theater am Gleis, 
Mi/Do, 21./22. Oktober 2015, 20.15 Uhr.

Rahel Locher

Lesungen

Literaare

Alles beginnt mit einem kaputten Kleid: Die Ich-Erzählerin in Dagny Gioulamis Roman «Alle Geschichten, die ich kenne» bricht von Zürich nach Griechenland auf. Hier soll ihre Tante Irini das kaputte Kleid flicken. Mit dabei auf der Reise sind ein tätowierter Polizist und eine Menge Geschichten, die die Ich-Erzählerin mit dem Polizisten teilt, wenn sie am Rand eines griechischen Dorfs neben einer Zisterne campieren oder im Wohnzimmer von Onkel und Tante auf gestärkten Laken liegen.

Die in Zürich lebende Autorin Dagny Gioulami ist eine von sechs Gästen an den «Lesungen im Herbst» von Literaare in Thun. Mit ihr wird Leta Semadeni den Abend bestreiten. Die Lesereihe startet mit einem Abend mit dem für den Deutschen Buchpreis nominierten Rolf Lappert («Über den Winter») und mit Bettina Suleiman («Auswilderung»). Den Abschluss der kleinen Reihe bilden die beiden für den Schweizer Buchpreis nominierten Autorinnen Dana Grigorcea («Das primäre Gefühl der Schuldlosigkeit», vgl. «Städte sind wie Brausetabletten» ) und Meral Kureyshi («Elefanten im Garten»). Die AutorInnen lesen während der Literaare nicht nur, sondern diskutieren auch jeweils gemeinsam über literarische Gemeinsamkeiten und Unterschiede.

Literaare. Lesungen im Herbst in: Thun Zunfthaus zu Metzgern, Do, 1. Oktober 2015: Rolf Lappert und Bettina Suleiman; Do, 8. Oktober 2015: Dagny Gioulami und Leta Semadeni; Do, 22. Oktober 2015: Meral Kureyshi und Dana Grigorcea, jeweils 20 Uhr. 
www.literaare.ch

Silvia Süess