Argentinien: Der Präsident krempelt alles um

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Schon in den ersten Wochen als Präsident beschenkt Mauricio Macri Grossunternehmen und bürdet die Kosten den Armen auf. Die Gewerkschaften beginnen, sich zu wehren.

Er sei ein «Teamarbeiter»; einer, bei dem es keine einsamen Entscheidungen gebe, sondern den «Dialog mit allen». So hatte sich Mauricio Macri im Wahlkampf angepriesen. Doch kaum war dem rechtsgerichteten Unternehmer am 10. Dezember nach einer knapp gewonnenen Stichwahl gegen den peronistischen Kandidaten die Präsidentenschärpe Argentiniens umgelegt worden, tat er genau das Gegenteil. Kaum vier Wochen ist er nun im Amt, und schon hat er das Land neoliberal umgekrempelt, hat Unternehmer beschenkt und die Kosten den Armen aufgebürdet. Und das alles mit einsamen präsidialen Entscheidungen ohne Debatte, sondern per Dekret am Parlament vorbei. Sein Justizminister Germán Garavano erklärte den autoritären Durchmarsch in aller Offenheit: «Wir haben keine Mehrheit im Kongress.» Da trifft es sich gut, dass die Abgeordneten bis Anfang März in den Sommerferien sind.

Agrarbusiness doppelt beschenkt

Eine der ersten Verordnungen Macris war die Aufhebung der Devisenkontrollen, was faktisch eine Abwertung des Peso um rund 30 Prozent bedeutet. Das heizt die ohnehin schon bei etwa 25 Prozent liegende Inflation noch weiter an, weil alle Importprodukte teurer werden. Die Kaufkraft der Bevölkerung schrumpft entsprechend, die Exportwirtschaft aber profitiert, weil ihre Waren auf dem Weltmarkt billiger werden. In erster Linie betrifft das die grossen Agrarunternehmen. Die hatten auf einen Wahlsieg Macris spekuliert und Ernten und Rindfleisch im Wert von vielen Milliarden US-Dollar in Silos und Kühlhäusern gehortet. Sie wurden vom Präsidenten gleich doppelt beschenkt: Zusammen mit der Pesoabwertung schaffte er Exportsteuern für Weizen, Mais, Rindfleisch und Industrieprodukte ab und senkte die für Soja. Argentinien, sagte Macri, solle «der Supermarkt der Welt» werden. Im Gegenzug strafte Macri die Armen – die Basis der vorher regierenden LinksperonistInnen – gleich zweimal ab: Zusätzlich zum Kaufkraftverlust strich er privaten Haushalten die Subventionen für Strom.

Konservative Medien feiern das Diktat des Präsidenten bereits als «Revolution». Am meisten freut sich der Grupo Clarín, der unangefochtene Gigant unter Argentiniens Medienkonzernen. Ein am Montag veröffentlichtes Dekret Macris hebt das 2009 mit überwältigender Mehrheit verabschiedete Antimonopolgesetz für den Mediensektor auf. Dieses Gesetz legte fest, dass kein Unternehmen mehr als jeweils 35 Prozent des Marktes für Fernsehen, Radio, Print und Online beherrschen dürfe. Der Grupo Clarín hätte sich danach von einem Teil seines Imperiums trennen müssen. Er schaffte es aber, die Anwendung des Gesetzes mit Gerichtsverfahren so lange zu verzögern, bis Macri es nun aus der Welt schaffte.

Immerhin ging das nicht ganz so glatt wie gewünscht. Macris Mediendekret löst gleichzeitig die beiden unabhängigen Kontrollinstanzen für das Antimonopolgesetz und die technische Überwachung von Frequenzen auf und führt sie in einer neuen, ihm unterstellten Behörde zusammen. Die Chefs der beiden alten Behörden aber weigerten sich zurückzutreten. Macri liess sie von der Polizei aus ihren Büros abführen – und handelte sich damit eine Anzeige wegen Amtsanmassung ein.

«Wir sind nicht autoritär»

Auch bei der Ernennung zweier neuer Verfassungsrichter per Dekret wurde der Präsident vorläufig gebremst. Für die Bestellung des höchsten Gerichts nämlich ist eigentlich der Senat zuständig. Ein Gericht erinnerte Macri an das rechtsstaatlich vorgesehene Verfahren und legte die Ernennungen vorläufig auf Eis. Macri ruderte zurück und erklärte sich bereit, mit dem Senat zu verhandeln. «Wir sind nicht autoritär, wir üben nur Autorität aus», versuchte der neue Kabinettschef Marcos Peña den selbstherrlichen Hauruckstil seines Chefs mit linguistischer Gymnastik schönzureden.

Kurz vor Weihnachten brachte Macri die Gewerkschaften gegen sich auf. Er ordnete an, 130 000 Stellen im öffentlichen Dienst auf ihre Notwendigkeit hin zu «überprüfen». Gegen diese kaum verhüllte Ankündigung von Massenentlassungen gingen trotz Ferien und drückender Sommerhitze in Buenos Aires Tausende auf die Strasse. Am 22. Dezember blockierten Arbeiter die Zugangswege zum internationalen Flughafen der Hauptstadt. Sie wurden von der Polizei mit Tränengas und Gummigeschossen vertrieben.

Angesichts der Militanz und Mobilisierungskraft argentinischer Gewerkschaften dürften diese Scharmützel nur der Auftakt zu einer langen Auseinandersetzung sein. Und noch etwas müsste Macri eine Warnung sein: Seit dem Ende der Militärdiktatur 1983 hat kein Präsident, der nicht zur peronistischen Partei gehörte, das Ende seiner Amtszeit erreicht.