Von oben herab: Kleine grosse Scheine

Nr. 14 –

Stefan Gärtner über Geld und Tod

Die Schweiz kriegt neues Geld, und das freut mich. Denn nicht allein, dass die Schweiz – wie jeder, der einmal in der Zürcher «Kronenhalle» war, bestätigen wird – Geld gewissermassen ist: Auch die Banknoten sind natürlich landestypisch prima designt. Allerdings stammen die neuen Noten nicht vom Zürcher Grafiker Manuel Krebs, der den Ideenwettbewerb gewonnen hatte, sondern von der Zweitplatzierten, der Grafikerin Manuela Pfrunder.

Das ist bedauerlich, denn erstens kratzt es am Mythos Helvetiens als Land des handwerklich grundierten Fortschritts, wenn neuerdings, und gar beim Geld, bloss die zweitbesten Entwürfe zum Zuge kommen, und zweitens ist Krebs, wie die NZZ wusste, daran gescheitert, dass auf seiner Tausendernote «ein Totenkopf» zu sehen war.

Ein Totenkopf auf dem Tausender: Da staunen wir Linken bzw. staunen natürlich nicht, denn so viel Ehrlichkeit wäre dann gerade in calvinistischen Regionen wohl zu viel, wo der Tausender bekanntlich nicht irgendwem abgepresst ist, sondern vom Herrgott persönlich verliehen wird. Ein Glaube, den die Wirtschaftsredaktoren weiter nördlich teilen, weshalb sie z. B. in der «Süddeutschen Zeitung» jammern: «Nirgends in der Euro-Zone ist das Vermögen so ungleich verteilt wie in der Bundesrepublik», was «beschämend» sei «für ein reiches Land, das als Europas Boomwunder gefeiert wird».

Und da staunen wir Linken schon wieder, wie wenig hier einer weiss, der doch in der Wirtschaftsredaktion der grössten deutschen sog. Qualitätszeitung sitzt, oder wie plump er hier schwindelt, beruht doch Europas Boomwunder auf seit zwei Jahrzehnten kaum gestiegenen (und also real sogar gesunkenen) Löhnen. Wer nichts hat, hat immer weniger, und wer viel hat, kriegt automatisch mehr, weil er investieren und sich Häuser und Aktien kaufen kann. Er kriegt, womit wir beim Totenkopf wären, auch mehr Leben, wird nämlich statistisch vierzehn (!) Jahre älter als ein Geringverdiener, weshalb auch in Deutscheuropa der Totenkopf auf keinem 500-Euro-Schein auftauchen wird, denn Europa ist bekanntlich der Kontinent der Werte und Deutschland auch in dieser Hinsicht vorne dran.

Aber zurück in die Schweiz, der die grafische Inszenierung des päpstlichen Wortes, wonach diese Wirtschaft tötet, erspart bleiben wird. Dafür werden die 1000-Franken-Noten kleiner, was nicht allein das Portemonnaie bei Snackausflügen in die «Kronenhalle» entlastet; auch die Geldanlage nach Schweizer Art profitiert, wie ich abermals der NZZ, dem Fachblatt für grosse und grösste Scheine, entnehme: «Der Vergleichsdienst Moneyland hat in einer Studie die Kosten der Bargeldlagerung in Schweizer Bankschliessfächern verglichen. Das beste Preis-Volumen-Verhältnis bietet ein 6 mal 30 mal 50 Zentimeter grosses Schliessfach für 55 Fr. Miete pro Jahr. Bei den derzeitigen Massen der Tausendernote lassen sich so 6,7 Mio. Fr. parkieren. Von den kürzeren Scheinen hätten knapp 1000 mehr Platz; immerhin 1 Million Franken liessen sich künftig also im gleichen Schliessfach zusätzlich verstauen. Wenn man bedenkt, dass manche Bank erwägt, die Negativzinsen an die Kunden weiterzugeben, und die SNB bei den im Umlauf befindlichen Tausendernoten für Januar 2016 einen Rekordwert vermeldete, fällt ein neues Licht auf die Verkleinerung des wertvollsten Geldscheins der Welt.»

Wenn Sie mich fragen: ein besonders mildes, geradezu weiches.

Stefan Gärtner (BRD) war Redaktor bei der «Titanic» und ist heute Schriftsteller und «linksradikaler Satiriker» («Die Zeit»). An dieser Stelle nimmt er das Geschehen in der Schweiz unter die Lupe.