Auf allen Kanälen: «Ich will jetzt ausreden!»

Nr. 16 –

Die SP Schweiz beschwert sich bei der SRF-Sendung «Arena». Der Fall erhellt ein Dilemma: In Polittalks geht es weniger um Politik als um Pointen, Schauspiel und Provokationen.

Auf Fernsehkanälen wird politgetalkt, seit es sie gibt. Bloss redeten früher die Teilnehmer – Frauen fehlten gänzlich – noch miteinander. Sie fielen sich nicht im Sekundentakt ins Wort. Sie warfen sich nicht den inzwischen zur Essenz solcher Sendungen geronnenen Satz an den Kopf: «Jetzt lassen Sie mich mal ausreden! Ich habe Sie auch ausreden lassen!» Was dazwischen an zusammenhanglosen Halbsätzen fällt – einerlei. Haften bleiben, falls überhaupt etwas hängen bleibt, spektakuläre Entblössungen.

Brot und Spiele

Also lasst hören aus alter Zeit: Werner Höfers «Internationaler Frühschoppen» startete 1953 auf der ARD und hielt sich bis 1987. Das Schweizer Fernsehen versorgte politisch interessierte ZuschauerInnen ab 1965 bis 1985 mit «Tatsachen und Meinungen». Drei bis fünf Männer sassen da paffend um einen runden Tisch und tauschten sich gravitätisch und wortreich aus. 1985 hatte sich das behäbige Format totgelaufen. Es folgten «Zur Sache», «Freitagsrunde» und ab 1993 schliesslich die «Arena». An den Sendetiteln lässt sich ablesen, wie Polittalks inzwischen funktionieren: Sie sind rhetorische Martial Art, Politschauspielerei, sie zelebrieren die fragwürdige Kunst der Wortabschneiderei und des Argumenttotschlags. Wer in anderthalb markigen Hauptsätzen eine Schlagzeile formulieren kann, punktet. Die AkteurInnen zerfleischen sich zum Gaudi des Publikums. Brot und Spiele. Wer sich verhaspelt, verliert. Infotainment soll das sein, also Information in unterhaltender Form. Es ist aber vor allem: wenig Information und viel schlechtes Entertainment. Ein Dienst an der Öffentlichkeit ist es kaum. So viel ist klar.

Bekanntheit als Währung

Doch löst man sich vom Wort, vom Argument, von der Vermittlung politischer Zusammenhänge, haben diese Sendungen einen hohen Stellenwert. Sie nützen den PolitikerInnen, den Parteien und, ja, auch den JournalistInnen, die dort auftreten. Wer in Markus Gillis «SonnTalk» auf Tele Züri oder in Jonas Projers SRF-«Arena» erscheint, gewinnt an Bekanntheit. Ungeachtet dessen, was er oder sie zu sagen hat. Bekanntheit ist eine Währung, die sich in WählerInnenstimmen ummünzen lässt. Wer auf dem Bildschirm gut und glaubwürdig rüberkommt, das lockere Plaudern und Pointensetzen beherrscht, aber auch den verbalen Zweihänder zu führen weiss, verspricht ausserdem höhere Einschaltquoten. Das ist die Währung der TV-Sender. Letztlich läuft es auf eine Kungelei von Sendern und Politik zum Zweck der allseitigen Selbstvermarktung hinaus. Mit der Lebenswirklichkeit der BürgerInnen, für die diese Sendungen angeblich gemacht werden, und der politischen Wirklichkeit, wie sie sich in den Entscheidungsgremien in Bern oder in den Kantonen darstellt, haben diese Vorführungen nur noch am Rand zu tun. Die Inszenierung von Politik ist die Botschaft. Jedenfalls sind die sendetauglichen PolitschauspielerInnen nicht zwangsläufig die einflussreichsten und dossiersichersten PolitikerInnen, für die sie das Publikum womöglich hält.

Vor allem Männer

Dass die SP, wie eben in einem offenen Brief geschehen, empfindlich auf die aktuelle Themen- und Titelauswahl der «Arena» reagiert, ist daher nachvollziehbar. Es seien häufig jene Themen, die die SVP setze. Und die «Arena»-Redaktion folge dabei nicht bloss dem Agendasetting der SVP, sie nehme auch deren Perspektive ein: «Der Notfallplan – müssen wir uns gegen Flüchtlinge wehren?» – «Angst vor dem Islam» – «Brüssel greift an – wird die Schweiz nun entwaffnet?» Die Sendung erinnere inzwischen mehr an ein Thesenpapier der SVP als an eine politische Diskussionssendung, schreibt die SP. Panama Papers, Altersreform 2020, die Lage älterer Arbeitnehmenden seien Themen, die die Lebensrealität der Menschen ungleich stärker tangierten.

Der «Arena»-Moderator Jonas Projer weist die Vorwürfe zurück. Im «Tages-Anzeiger» sagte er: «Das Thema Flüchtlinge – zum Beispiel – beschäftigt alle.» Dass unabhängige JournalistInnen auch auf Themen aufmerksam machen könnten, von denen noch nicht alle wissen, dass sie davon betroffen sind, passt nicht in die Logik der Quotenbolzerei. Genauso wenig wie offenbar auch Frauen den Weg ins Scheinwerferlicht der Arena finden. An vorderster Front diskutieren dort nämlich vor allem Männer. Werner Höfer lässt grüssen!