Von oben herab: Lachen mit System

Nr. 27 –

Stefan Gärtner über einen Berner Dächerkampf

«Vielleicht liegt es an dem / politischen System? / Daran wird es wohl liegen / dass viele Dinge fliegen», hat F. W. Bernstein mal vermutet, wobei ich nicht weiss, ob er dabei an Pflastersteine gedacht hat.

Humor und Revolution schliessen sich freilich aus; das ist keine schöne Erkenntnis, weil Humor ja nicht bloss ist, wenn man trotzdem lacht. Humor ist Nachsicht, Wärme, Freundlichkeit, Selbstironie, und das alles soll Revolution doch schaffen, über ein «gerechteres, nützlicheres, ruhiges, friedliches, anständiges Leben» (Hermann Kant) hinaus, dessen Funktion Humor dann wäre. Das Gegenteil von Humor ist Ideologie, und wenn ich bei bürgerlichen Bekannten im Garten sitze und ein freundlicher Linksliberaler selbstverständlich von «Asi-Kindergärten» spricht – das eigene Kind geht freilich auf den kostenpflichtig theosophischen, obwohl er sich den, ich weiss es, gar nicht leisten kann –, dann ist er einer, der für die zumal deutsche Humorlosigkeit in Fragen von Erziehung und «Bildung» steht: Was immer es koste, mein Kind wird premium, und wenn es spielt, dann möglichst ohne Türken. Humorlos auch die Radfahrer, die auf Wegen, die für alle sind, wenn nicht gar auf dem Trottoir, rasend und ggf. schimpfend ihr Hausrecht beanspruchen, humorlos überhaupt heutzutage die Verkehrsteilnehmer, und fast will ich in Tränen ausbrechen über den (polnischen) Golf, der sich auf der Autobahn per Antippen der Warnblinkanlage dafür bedankt, dass ich ihn in die Spur lasse.

Wir leben in humorlosen Zeiten, eben weil sie so wunderbar «alternativlos» (Merkel) sind; und will eine Linke dagegen anstinken, dann kann sies mit Humor probieren, was zwar erst mal widerständig aussieht, es aber nicht sein kann, denn dafür ist es Humor, der versöhnt, während der Witz immer sein Opfer hat. Im Streit (Humorlose mögen sagen: Kampf) um die Berner Reitschule, das einstige Autonome Jugendzentrum Berns, ist es nun zu einem fürwahr offenen Schlagabtausch gekommen, wie wir der «Berner Zeitung» entnehmen dürfen: «Gestern sah man auf dem Reitschule-Dach ein Smiley mit einem ‹A› darauf, den Spruch ‹Merci fürs Grundiere›, ein ‹Gärn gsche› und dann noch ‹Fight Securitas, Frontex, SBB›. Wie ist es dazu gekommen? Immobilien Stadt Bern (ISB) forderte die Betreiber der Reitschule letzte Woche dazu auf», deutsch: hatte die Betreiber letzte Woche dazu aufgefordert, «den Aufruf ‹SBB and Securitas deport people. Block them› zu entfernen. Doch weil die Interessengemeinschaft Kulturraum Reitschule (Ikur) nicht reagierte, wurde der politische Chef von ISB, Alexandre Schmidt (FDP), selbst aktiv. Er liess das Dach neu grundieren und den Schriftzug durch ein grosses Smiley ersetzen.» Die Reitschüler dann «malten ein grosses ‹A› über das Smiley, dazu ein humorvolles ‹Merci fürs Grundiere›. Die Stadt nahms mit noch mehr Humor: ‹Gärn gsche›, heisst es als Antwort (…). Doch dann ist den Reitschülern offenbar der Humor ausgegangen. Sie schrieben nur noch ‹Fight Securitas, Frontex, SBB› rund um das städtische Smiley. Schmidt: ‹Jetzt werden wir diese Aufschriften wieder entfernen lassen und die Rechnung dafür der Ikur schicken.›»

Was zu beweisen war: Humor ist das Menschliche selbst, taugt aber nicht zur Absicht, dass niemandem mehr das Lachen vergehen muss. Die Revolution ist borniert, oder sie ist keine. Für mich ist das der Hauptwiderspruch.

Stefan Gärtner (BRD) war Redaktor bei der «Titanic» und ist heute Schriftsteller und «linksradikaler Satiriker» («Die Zeit»). An dieser Stelle nimmt er das Geschehen in der Schweiz unter die Lupe.