Hass im Netz: Männer, die kotzen

Nr. 32 –

Der Film «Ghostbusters» läuft seit einer Woche in den Schweizer Kinos, ein Remake des äusserst beliebten Geisterklamaukfilms aus den achtziger Jahren. Wohl nie zuvor hat ein Film dermassen heftige Kritik einstecken müssen und so viele hasserfüllte Reaktionen ausgelöst. Nicht wegen des Films an sich, sondern weil die Hauptdarstellerinnen allesamt weiblich sind – im Gegensatz zum Original. Ein Mob wütender Männer flutet seit Wochen die einschlägigen Social-Media-Kanäle mit sexistischen Hassbotschaften gegen die Filmcrew. Besonders hart trifft es die schwarze Schauspielerin Leslie Jones, die zusätzlich rassistisch beschimpft und bedroht wird.

Mitte Juni kommentierte an den Fussballeuropameisterschaften in Frankreich zum ersten Mal beim ZDF eine Frau ein EM-Spiel der Männer. Noch während das Spiel Wales gegen die Slowakei lief, begann im Netz ein regelrechter Shitstorm gegen Claudia Neumann. Sie wurde massiv beleidigt und beschimpft. Nicht weil ihre Moderation schlecht gewesen wäre – sie war tadellos –, sondern weil sie es gewagt hatte, eine Männerbastion zu erobern.

Hassrede im Netz gibt es auch bei uns. Vor einem Monat sorgte ein WOZ-Interview mit einem Hassredner (siehe WOZ Nr. 27/2016 ) für Aufsehen. «Ich habe generell etwas gegen diese linken Tanten. Und deshalb beleidige ich die auch mal», sagte der gut ausgebildete Schweizer. Auch da kam das oben beschriebene Muster zum Ausdruck: Ein weisser Mann kommt nicht damit klar, dass seine Allmachtstellung ins Wanken geraten ist. Als Reaktion darauf verbreitete der 45-Jährige ungefiltert sexistische und rassistische Hassbotschaften im Netz.

Wie sieht es bei den Empfängerinnen solcher Hassbotschaften aus? Die WOZ hat diese Frage rund einem Dutzend Frauen aus der Schweiz gestellt, die prominent in der Öffentlichkeit stehen. Einige antworteten, sie hätten bisher kaum Erfahrungen mit Hassreden gemacht, andere wollten lieber (noch) nicht in der Öffentlichkeit darüber reden. Drei Frauen haben schliesslich zugesagt, offen mit uns über ihre Erfahrungen zu sprechen: die Basler Nationalrätin Sibel Arslan, die Sportmoderatorin Steffi Buchli und die Zuger Kantonsrätin Jolanda Spiess-Hegglin.

Im Zentrum der Gespräche stand die Frage, wie sie mit Hassbotschaften umgehen. So viel vornweg: Die drei Frauen gehen ganz unterschiedlich damit um, aber keine bleibt in der Opferrolle. Alle drei finden, dass die Behörden mehr Initiative zeigen könnten.

Es läuft zwar einiges auf der Ebene, aber das ist bisher kaum in der Öffentlichkeit angekommen. Auch weil in der Schweiz – anders als etwa in Deutschland oder Österreich – noch keine breite Debatte zum Thema stattgefunden hat. Entsprechend verloren fühlen sich die Empfängerinnen von Hassbotschaften.

Guido Balmer, Informationschef des Justizdepartements, verweist auf mehrere Initiativen und Möglichkeiten, sich zur Wehr zu setzen. Er nennt etwa die Schweizerische Koordinationsstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität (Kobik). Diese prüft die eingehenden Meldungen und leitet sie gegebenenfalls an die kantonalen Strafverfolgungsbehörden weiter. «2015 hat Kobik 389 Meldungen über rassistische oder hetzerische Kommentare bekommen. Im Vorjahr waren es 85», sagt Balmer. Die Koordinationsstelle beobachtete, dass zum Beispiel dann mehr Meldungen eingehen, wenn die Medien das Phänomen thematisieren. «Auch Faktoren wie etwa der letztjährige Wahlkampf können die Zahl ansteigen lassen», so Balmer.

Es ist fraglich, ob die bestehenden Instrumente tatsächlich ausreichen, um die Opfer von medialer Hetze effektiv schützen zu können. Die Aussagen der drei befragten Frauen lassen daran zweifeln.

Es bleiben Fragen: Ist eine Opfermeldestelle sinnvoll? Braucht es schärfere strafrechtliche Bestimmungen, wie sie etwa PolitikerInnen aus Österreich fordern? Wie können Facebook, Twitter und so weiter in die Verantwortung genommen werden? Und welche Rolle sollten die klassischen Medien spielen?