Linker Antisemitismus: Bitte um Aufnahme von Ermittlungen

Nr. 49 –

Sehr geehrte Kantonspolizei! Wie heute besprochen, erstatte ich Strafanzeige gegen ein Plakat, das im Hauptbahnhof Zürich aushängt. Das Plakat ist mit www.palaestina-solidaritaet.ch unterzeichnet. Es ist klar antisemitisch – und zwar aus folgenden Gründen: Das Plakat zeigt eine Frau, die einem Mann die Füsse küsst. Der Mann trägt die Züge des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu; die Frau verkörpert gemäss Aufschrift «Europa». Über beiden steht in einer Denkblase Netanjahus: «Wir brechen Völkerrecht durch Landraub, Vertreibung, Apartheid … Unser Joker: Das schlechte Gewissen Europas.» Daneben heisst es als Aussage von www.palaestina-solidaritaet.ch: «Wir fordern von der EU und von der Schweiz: Sanktionen gegen Israel».

Selbstverständlich ist es nicht strafbar, die Politik der israelischen Regierung zu kritisieren. Es ist auch jedermann unbenommen, Sanktionen gegen irgendein Land zu fordern. Hier aber wird die israelische Politik als Resultat eines «schlechten Gewissens» dargestellt: Das «schlechte Gewissen» bezieht sich auf die Ermordung von sechs Millionen Jüdinnen und Juden in Europa. Die Erinnerung an diese Toten sei der «Joker» Israels, wird behauptet. Dank der Erinnerung küsse Europa einem Israeli die Füsse. Europa müsse sein schlechtes Gewissen überwinden.

Aus Opfern (europäische Juden) werden Täter (jüdische Israelis). Aus Tätern (europäische Nichtjuden) werden Opfer (erniedrigte Europäer mit schlechtem Gewissen). Das antisemitische und sexistische Stereotyp vom jüdischen Mann, der sich von einer nichtjüdischen Frau unterwürfig bedienen lässt, illustriert diese groteske Umkehrung der Zusammenhänge. Dass Netanjahu eine gestreifte Jacke in der Art einer KZ-Uniform trägt, verleiht der antisemitischen Stossrichtung eine unerhörte Schärfe.

Dieses Plakat verletzt die Integrität der Ermordeten und aller überlebenden Jüdinnen und Juden. Ihre Geschichte wird negiert, sie werden als Gruppe in einer gegen die Menschenwürde verstossenden Weise herabgesetzt und beleidigt. Auch meine Gefühle als nichtjüdischer Staatsbürger werden durch antisemitische Kampagnen verletzt. Ich bitte Sie, sehr geehrte Kantonspolizei, die Ermittlungen aufzunehmen.

Gekürzte Strafanzeige, die WOZ-Redaktor Stefan Keller am 1. Dezember 2016 in Zürich einreichte.

Nachtrag vom 14. März 2017

Am 27. Januar 2017 ist die Strafanzeige von Stefan Keller wegen Rassendiskriminierung vom zuständigen Staatsanwalt mit einer Nichtanhandnahmeverfügung abgelehnt worden.