Israel/Palästina: Ein tollkühner Plan

Nr. 22 –

Jetzt werden Fakten geschaffen. Einseitig. Und definitiv.

Der König residiert in Washington. Und so reiste der israelische Premier Ehud Olmert letzte Woche in die USA; um seinen Plan für das Ende des israelisch-palästinensischen Konflikts absegnen zu lassen. Bis in vier Jahren soll demnach die Grenze Israels festgelegt sein - und Israel wird seine Grenze selbst ziehen. Sie wird weitestgehend entlang der Mauer verlaufen, oft tief in der Westbank. Die grossen Siedlunngsblöcke werden von Israel annektiert. Aus den restlichen besetzten Gebieten sollen sich SiedlerInnen und Armee zurückziehen.

«Kühn» nannte US-Präsident George Bush Olmerts Plan und zeigte mit dem Daumen nach oben. Obwohl damit seine eigene Roadmap zum Frieden definitiv beerdigt wurde. Vielleicht deshalb verweigerte Bush die Finanzierung dieses Plans, um die Olmert - «kühn» - gerade auch noch ersucht hatte. Die Roadmap von 2002 setzte auf Verhandlungen und verlangte grundsätzlich den Rückzug aus allen 1967 besetzten Gebieten in der Westbank und im Gasastreifen. Doch im Nahen Osten schien niemand die Roadmap je richtig ernst zu nehmen.

Der Olmert-Plan wird jetzt wohl umgesetzt. Er schafft dauerhaft Fakten, denn er hat ein handfestes Argument: die Mauer. Und er wird letztlich mit Wohlwollen aufgenommen werden, denn wer das Wort Frieden im Mund führt, hat die Welt auf seiner Seite. Die Expansion des Staates Israel wird, das hat der Rückzug aus Gasa nach fast vierzig Jahren Besetzung gezeigt, «schmerzvolle Kompromisse» und «traumatische Erlebnisse» mit sich bringen, denn schliesslich müssen dafür ja kleinere Siedlungen geräumt werden. Und auf solche Bilder reagiert die Weltöffentlichkeit beinahe reflexhaft betroffen. Die westliche Öffentlichkeit, besser gesagt.

Dass es in der Welt auch dissidente Stimmen gibt, zeigt eine Resolution der Ministerkonferenz der Blockfreien, die - ebenfalls letzte Woche - in Malaysia verabschiedet wurde, und die Mauer und Siedlungen verurteilt. Der Bewegung der Blockfreien gehören immerhin 116 Staaten an. Aber eben, der König hockt in Washington und nicht in Kuala Lumpur.

Olmerts Plan beraubt die PalästinenserInnen jeder Perspektive. Von der «vagen Aussicht auf einige verzettelte Fetzen Land in etwas mehr als der Hälfte von Cisjordanien und im Gasastreifen, welche kaum die Grundlage für einen zusammenhängenden, lebensfähigen Staat bilden» schreibt die «Neue Zürcher Zeitung». Und die Träumereien linker PalästinenserInnen und Israelis von einem modernen binationalen Staat in Israel und den besetzten Gebieten, also im Gebiet des historischen Palästinas, enden an der Mauer.

Die PalästinenserInnen taumeln einem Bürgerkrieg entgegen. Die Konflikte und Scharmützel zwischen den Bewaffneten, die von der Autonomiebehörde unter Führung der islamisch-konservativen Hamas kontrolliert werden, und den diversen Milizen und Banden der Fatah-Bewegung nehmen nicht ab. Es geht um Macht und Pfründe, die sich die abgewählten Fatah-Bonzen sichern wollen, aber auch um die Existenzangst der Fatah-Milizionäre. Viele von ihnen, die noch von der alten Fatah-Regierung als Polizisten angestellt wurden, fürchten um ihre Jobs. Und um ihren Sold: Wegen der internationalen Finanzblockade gegen die Hamas-Regierung erhielten die Angestellten der Behörden noch nicht einmal die Märzlöhne.

Angesichts des drohenden Bürgerkriegs und der Not in Palästina wird es auch westlichen PolitikerInnen, vorab in der EU, zunehmend unwohl. Sie wollen wieder mehr Geld nach Palästina überweisen - und wissen nicht, wie, da sie die Regierung weiterhin boykottieren. Dabei zeigt die Schweiz, wie die gewählten Behörden in Palästina respektiert werden können, ohne dass man sich dem Vorwurf der «Terrorismusfinanzierung» aussetzt: Die Schweizer Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit will dringend notwendige Medikamente den Lieferanten direkt bezahlen, um dann bei der Verteilung der Medikamente «eng» mit dem palästinensischen Gesundheitsministerium zusammenzuarbeiten.

Die israelische Regierung «erlaubt» hingegen genau in dieser Zeit die Lieferung von Schusswaffen und Munition an die Miliz des palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas - auf Wunsch europäischer DiplomatInnen, wie die Nachrichtenagentur Reuters weiss. Abbas liess umgehend dementieren; verständlich, diskreditiert ihn doch die israelische Parteinahme in palästinensischen Augen zutiefst. Ob Abbas lügt? Oder das israelische Verteidigungsministerium?

Den Bürgerkrieg abwenden soll ein Papier, das von vier palästinensischen Gefangenen in israelischen Gefängnissen vorgelegt wurde. Die vier - führende Mitglieder der Fatah, der linken PFLP, des Islamischen Dschihad und der Hamas - verpflichten sich darin auf die Zweistaatenlösung und anerkennen also implizit den Staat Israel. Doch bei aller innenpolitischen Bedeutung dieses Papiers, und selbst wenn sich die politischen Parteien auch ausserhalb der Gefängnisse darauf verständigen könnten - gegenüber Israel bleibt es wohl wirkungslos. Zwar wird Olmert auf Wunsch von George Bush das Gespräch mit Mahmud Abbas suchen, den die israelische Aussenministerin Tzipi Livni noch im Februar als «irrelevant» abtat. Doch zu eigentlichen Verhandlungen wird es nicht kommen. Denn Olmert verhandelt mit Bush, nicht mit PalästinenserInnen.