Auf allen Kanälen: Pfiff und guter Wille

Nr. 47 –

Letztes Jahr war Jubiläum, jetzt gibts endlich das Buch zu zwanzig Jahren Radio RaBe. Doch dem alternativen Lokalradio in Bern ist nicht zum Feiern – wegen der No-Billag-Initiative.

Der Rabe-Rabe

Gerade mal vierzig Musikkassetten und kein Computer: So starteten die MacherInnen des unabhängigen Berner Lokalsenders RaBe, als sie 1996 auf Sendung gingen. In den ersten Wochen liefen deshalb oft dieselben Lieder in der genau gleichen Reihenfolge – regelmässige RaBe-HörerInnen kannten das Repertoire relativ schnell auswendig.

Dies ist nur eine der Anekdoten, die im Buch «RaBe – 20 Jahre alternatives Kulturradio in Bern» erzählt wird. Das von Steven Götz sorgfältig gestaltete Buch, das mit einem Jahr Verspätung zum Jubiläum erschienen ist, fasst in Bild und Text die bewegte Geschichte des Senders zusammen. Es erzählt von der Vergangenheit, gibt Einblick in die Gegenwart und wagt einen Ausblick in die Zukunft. Das Buch versammelt Gespräche mit MitgründerInnen, Fotos der aktuellen MitarbeiterInnen, Zeitungsausschnitte aus all den Jahren unabhängigen Radioschaffens, eine wunderbar zu lesende musikalische Rückblende der letzten zwanzig Jahre sowie Jubiläumsplakate, gestaltet von verschiedenen Berner GrafikerInnen.

Ein Kind der Reitschule

Diese Plakate hängen in Originalgrösse auch im RaBe-Studio am Randweg 21, dem Ort direkt neben den Geleisen, wo (fast) alles begann. Wie so vieles in der Berner Kulturszene ist auch RaBe ein Kind aus dem Umfeld der Reitschule: Hier entstand die Idee eines unabhängigen, alternativen Dialogradios, bei dem die HörerInnen auch die Sendungen machen sollten. Nachdem das Bundesamt für Kommunikation 1995 RaBe eine Sendekonzession erteilt hatte, ging es im März 1996 auf 91,1 MHz los: mit Sendungen auf Griechisch, Kurdisch, einer jiddischen Sendung, zwei Sendungen mit frauenspezifischen Themen, einer Infosendung mit alternativer Lokalberichterstattung oder Sendungen mit Nischenmusik.

Die rund 200 Mitarbeitenden der 70 Sendungen arbeiteten unentgeltlich, auf Werbung wurde verzichtet, RaBe finanzierte sich ausschliesslich über Mitgliederbeiträge. In einer Zeitungsnotiz von damals heisst es: «Am 1. März geht das werbefreie Gemeinschaftsradio RaBe auf Sendung. Das Projekt lebt vorderhand vom Enthusiasmus der jungen Radioleute, die mit Pfiff und viel gutem Willen starten. Später hoffen sie auf einen bescheidenen Anteil aus dem Splitting der SRG-Gebühren für nichtkommerzielle Radiostationen.»

Die Hoffnung wurde Realität: Heute machen die Mitgliederbeiträge noch knapp ein Drittel des Gesamtbudgets aus. Die restlichen zwei Drittel, 519 000 Franken pro Jahr, kommen von den Billag-Gebühren. Dank dieser öffentlichen Gelder, die RaBe als nichtkommerzielles Lokalradio erhält, hat sich der Sender auch eine gewisse Professionalisierung leisten können. Mittlerweile gibt es 500 bezahlte Stellenprozente, verteilt auf zehn Teilzeitarbeitende; Praktika werden angeboten, und wer eine eigene Sendung machen will, muss zuerst einen dreitägigen Kurs besuchen.

Angst vor Sendeschluss

Einer der Lohnarbeitenden ist Martin Schneider, der seit 2001 als Sendungsmacher, Musikredaktor und Zuständiger für Events und Marketing bei RaBe arbeitet. Zurzeit treibt ihn vor allem eines um: die No-Billag-Initiative. 67,5 Millionen Franken aus dem Gebührentopf gehen pro Jahr an 35 private Radio- und Fernsehstationen. Bei einer Annahme der No-Billag-Initiative würden diese die Beiträge verlieren, was das Ende für die meisten Sender wäre – auch für RaBe, ist Schneider überzeugt. Dies ist allerdings nicht das, was ihn am meisten beschäftigt. «Natürlich wäre das ein grosser Verlust, aber hier geht es um viel mehr: um die Konsequenzen, die eine Annahme der Initiative auf die gesamte Presselandschaft hätte.» Und genau das müsse man den Leuten erklären: «Hier greifen neoliberale Kräfte die Pressefreiheit an.» Das sei extrem gefährlich, denn Leute wie Christoph Blocher ständen bereit für Übernahmen: «Dann gibt es bald keine unabhängigen Medien mehr.»

RaBe selber hat unter dem Titel «Warum die No-Billag eine Katastrophe für alle wäre» ein Argumentarium verfasst: Darin warnt der Sender unter anderem vor der Medienkonzentration auf ein paar wenige grosse Verlage sowie vor einem drohenden Einheitsbrei. Denn klar ist: Radiosender, die nur auf die Quote schauen, spielen alle dieselben Hits, immer wieder. Und das trotz viel mehr technischer Möglichkeiten als vierzig Kassetten.