StudentInnenproteste: Lange Nächte im Kampf gegen den Bildungsabbau

Nr. 48 –

Schweizweit treffen Sparwellen auch die Bildung. Besonders in Basel gewinnt der Protest dagegen an Schwung. Jetzt wird der Uni-übergreifende Widerstand eingefädelt, doch der Gegner ist mächtig.

Der Aktivist aus Zürich könnte einem fast ein wenig leidtun. Der Bund spart bei der Bildung, deshalb will die ETH die Studiengebühren um 500 Franken jährlich erhöhen. Dagegen organisiert ein Grüppchen von fünfzehn bis zwanzig Leuten gerade den Widerstand. Doch man mache es ihnen an der ETH nicht leicht, erzählt der Student in einem Seminarraum der Uni Basel. Politische Organisation sei an der ETH grundsätzlich verpönt, von der StudentInnenorganisation VSETH würden die AktivistInnen sogar observiert und sabotiert. Doch dieser Tage ist nicht der Zeitpunkt für Pessimismus in der Bildungspolitik.

AktivistInnen aus Bern, Fribourg, Zürich und Basel haben sich hier Freitag letzter Woche zu einem Vernetzungstreffen zusammengesetzt. Wie auch in Lausanne, Genf und St. Gallen organisiert sich in diesen Städten Widerstand gegen Sparmassnahmen bei der Bildung und gegen die Erhöhung von Studiengebühren. Das Ziel der Vernetzung: eine schweizweite, zentral koordinierte Widerstandsbewegung von StudentInnen.

In den einzelnen Städten lief bereits einiges. Mitte November demonstrierten in Fribourg über 500 StudentInnen gegen eine Erhöhung der Gebühren um 35 Prozent, an der anschliessenden Vollversammlung nahmen 150 StudentInnen teil. An der Uni Bern wurde in diesem Frühling ein Ableger der linken Hochschulgruppierung «kritische Politik» gegründet, die es in Zürich schon seit über zehn Jahren gibt. Die Berner Gruppe war auch an der Organisation einer Demo mit über tausend Leuten vor zehn Tagen in Bern beteiligt, die sich gegen den Abbau bei der Bildung im Rahmen eines 185 Millionen schweren kantonalen Sparpakets richtete (siehe WOZ Nr. 47/2017 ).

Besonders in Basel ist die Aufbruchstimmung spürbar. Das Vernetzungstreffen fand im Rahmen der Langen Nacht der Kritik statt, einer Veranstaltungsreihe mit Podien, Vorträgen und Workshops zu aktuellen Entwicklungen und kritischen Perspektiven in der Bildungspolitik. Die Reihe wurde letzten Herbst als linke Reaktion auf die jährlich stattfindende Lange Nacht der Karriere ins Leben gerufen. Diese ist eine Art Dating-Event für Unternehmen und StudentInnen, organisiert von Schweizer Unis und Fachhochschulen.

Dieses Jahr fand die kritische Version auch in St. Gallen, Bern und Basel statt. Am letzten Freitag machte Basel den Abschluss. Mit Erfolg: Rund 500 BesucherInnen nahmen an sechs Veranstaltungen teil.

Doch nicht nur das. Es traf sich, dass just am Morgen desselben Tages in Basel auch eine Bildungsdemo stattfand. Die war mit der Langen Nacht der Kritik zwar nicht direkt verbunden, wurde aber zum Auftakt eines regen Bildungskampftags. Die 300 Protestierenden reihten sich zunächst vor der Martinskirche auf, wo hohe FunktionärInnen und zahlreiche ProfessorInnen der Uni Basel vormittags feierlich zu einer Zeremonie im Rahmen des «Dies academicus» einliefen, und marschierten anschliessend durch die Stadt zur Uni. Der Demo hatten sich auch zahlreiche Basler GymnasiastInnen angeschlossen.

Rotstift aus Baselland

Die Situation der Uni Basel ist speziell. Als einzige Schweizer Hochschule wird sie seit 2007 von zwei Halbkantonen zu gleichen Teilen finanziert und geführt. Diese Vereinbarung wird ihr jetzt zum Verhängnis: Vom bürgerlich dominierten Landrat von Baselland kommen happige Sparforderungen. Je nach verabschiedetem Szenario fehlen der Uni in den nächsten vier Jahren zwischen 70 und 130 Millionen Franken. Am Erscheinungstag dieser WOZ tagt der Landrat in Liestal zu diesem Geschäft.

Wie gravierend die Situation in Basel ist, zeigte auch die Reaktion des ehemaligen Stadtbasler Erziehungsdirektors Christoph Eymann, als Mitglied der Liberal-Demokratischen Partei wahrlich kein Linker. Auf einem Podium an der Langen Nacht der Kritik begrüsste er die Proteste ausdrücklich – und schoss Giftpfeile in Richtung Baselland. Dort gebe es Politiker, die am liebsten auf die Inhalte der Uni Einfluss nehmen wollten: «Das ist die akut grösste Gefahr für diese Universität.» Die Forderung nach höheren Gebühren aus dem Nachbarkanton nannte er «provinziell».

Studiengebührverdoppelung

Zur Spardebatte nach Liestal reisen wollen auch die widerständischen StudentInnen aus Basel, den Plan dazu fassten sie gleich im Anschluss an die Demo auf dem Petersplatz vor dem Hauptgebäude der Uni. Anthea Nauer, Juso-Mitglied und Sprecherin der Vollversammlung, sieht die Bewegung im Aufwind. «Schon bei der ersten, von linken Jungparteien einberufenen Versammlung Ende September kamen siebzig Leute. Nun müssen wir dranbleiben, denn ob der Unirat Anfang Jahr eine Erhöhung der Gebühren beschliesst, hängt auch davon ab, wie viel Druck wir von unten aufbauen können.»

Etwas abseits der Vollversammlung auf dem Petersplatz stehen einige DoktorandInnen und StudentInnen vom Zentrum für Afrikastudien der Uni Basel, unter ihnen auch Winnie Kanyimba, Masterstudentin aus Namibia. «Es ist schade, dass viele ausländische StudentInnen sich nicht politisch engagieren», sagt sie, «immerhin wird gerade über eine Verdoppelung unserer Studiengebühren diskutiert.» Das Brisante daran: Weil die Direktzahlungen des Bundes an die Anzahl ausländischer StudentInnen geknüpft sind, könnte diese Massnahme unter dem Strich sogar zu weniger Einnahmen für die Uni führen.

Schwierige Vernetzung

Am Vernetzungstreffen haben die VertreterInnen der verschiedenen Unis einige Vorschläge gesammelt: eine gemeinsame Zeitung, koordinierte Aktionen, eine Plattform im Netz. Konkret ist zwar erst, dass sich die AktivistInnen wieder treffen, doch die Vernetzung entspringt einem gemeinsamen Bewusstsein: Schweizweit werden Bildungsinstitutionen durch Sparmassnahmen finanziell unter Druck gesetzt. Einfacher macht das einen landesweiten Widerstand nur bedingt. Obwohl die Tendenz überall die gleiche ist, sind die Umsetzungen und Terminpläne kantonal spezifisch. Der gemeinsame Goliath ist die hegemoniale Ideologie des Sparzwangs, doch die ist schwer greifbar.

Einfacher hatte es da die eindrückliche Protestwelle von 2009 – der Feind damals: die Bologna-Reform. Die Reform war erst drei Jahre zuvor in Kraft getreten, und so hatten sich die StudentInnen noch nicht damit abgefunden, dass akademische Leistung nun in einem Punktesystem quantifiziert und die Bildung generell verschult wurde. Im Zuge der Mobilisierung gegen Bologna war es an mehreren Schweizer Unis und in ganz Europa zu Besetzungsaktionen gekommen. Doch die Situation hat sich verändert: Die letzten Liz-StudentInnen sind verschwunden, Bologna ist zur Normalität geworden.

Dass zielgerichtete Protestaktionen Wirkung haben können, zeigte das Beispiel der Uni Genf von vor etwa einem Jahr. Im September 2016 hatte das Rektorat dort die Einführung einer Einschreibegebühr von 50 Franken für SchweizerInnen und 150 Franken für StudentInnen aus anderen Ländern angekündigt. Etwa drei Monate später besetzten rund 200 StudentInnen das Rektorat. Bereits am nächsten Tag gab das Rektorat seine Pläne wieder auf. Doch um dieses Level von Militanz zu erreichen, muss die derzeit entstehende Bewegung noch etwas zulegen.