Achim Bergmann (1944–2018): Immer weiter fliegen

Nr. 10 –

Ans Aufhören denken? Die Frage klang in seinen Ohren offenbar so ausserirdisch, dass Achim Bergmann lieber mit der Raumsonde Voyager antwortete, die ja auch seit Jahrzehnten immer noch durchs All fliege: «Statt irgendwo zu landen, fliegt man einfach weiter.»

Vor rund drei Monaten war das, im grossen WOZ-Interview. Bergmann, der bayerische Anarchist, sprach darin über den linken Trikont-Musikverlag, das älteste unabhängige Plattenlabel im deutschsprachigen Raum, das er fast ein halbes Jahrhundert lang geprägt hatte. Das Populäre und das Abseitige, das waren für Labelchef Bergmann keine Gegensätze, Tradition und Avantgarde sah er in enger Nachbarschaft. Johnny Cash und böhmische Volksmusik, New Orleans und alte deutsche Gassenhauer, Attwenger und vietnamesische Strassenmusik, Ton Steine Scherben natürlich: Das alles und noch viel mehr fand und findet bei Trikont zusammen.

«Ein Antiautoritärer durch und durch, war er gegen die totalitäre Versuchung vollkommen gefeit», schrieb ein Weggefährte in der «Welt» über Bergmann, den Urautonomen. Und der machte sein Maul auch dort auf, wo andere sich nicht getrauten, wie letzten Herbst auf der Frankfurter Buchmesse. Als ein Redner der Neuen Rechten die Achtundsechziger als Ursache allen Übels verunglimpfte, rief Bergmann dazwischen – und wurde von einem Besucher mit einem gezielten Faustschlag niedergestreckt.

Dabei mochte er selber 1968 nicht als singuläres Ereignis verewigt haben: «Die Geschichte der Demokratie muss immer wieder neu geschrieben werden», sagte er in der WOZ, und es klang so, als würde er mit Trikont noch lange daran mitschreiben. Es war das Bekenntnis eines unbeirrbar Bewegten, der bis zuletzt in Bewegung geblieben ist. Am 1. März ist Achim Bergmann im Alter von 74 Jahren gestorben, und bei Trikont verabschiedeten sie ihn mit einem Zitat von Hank Williams: «I’ll never get out of this world alive». Der Voyager ist weitergeflogen.

Interview mit Achim Bergmann und seiner Frau Eva Mair-Holmes (WOZ Nr. 48/2017)