Theater: Ein neuer Ismus für eine bessere Welt

Nr. 18 –

«Das Thema des heutigen Abends ist Klassismus», verkündet eine der vier Figuren zu Beginn der Uraufführung von «Café Populaire» im Theater Neumarkt. In ihren geschniegelten, pfirsichfarbenen Kostümen wirken sie wie aus einem Film von Wes Anderson. Aufgereiht stehen sie da, die Leute der Kleinstadt Blinden, wie ausgestellt in der Museumsvitrine, die den Bühnenraum einnimmt: Svenja (Eva Bay), die Bildungsbürgerin schlechthin. Püppi (Simon Brusis), eine altlinke Hospizbewohnerin, die nach dem Tod ihres Mannes einen neuen Pächter für ihren Gasthof sucht.

Und Aram (Maximilian Kraus), Arbeiter mit russischem Migrationshintergrund. Er ist Blindens Dienstleistungsproletarier: Uber-Fahrer, Postbote, Amazon-Angestellter. Doch da ist auch noch der «Don» (Marie Bonnet), der als Svenjas Alter Ego durch den Abend führt – ihre innere Stimme, die während des Bewerbungsvideos für den Gasthof aus ihr herausbricht. Eva Bay und Marie Bonnet beherrschen dieses Spiel perfekt, ein Hin und Her zwischen «Wir sind doch alle gleich»-Weltverbesserungsphrasen und «Ihr verdammten Asi-Prolls»-Hasstiraden. Der «Don» nämlich verachtet die Armen, will Blinden sozial entmischen. Svenja dagegen will mit Humor und Humanismus («Humornismus») die Welt verbessern, entlarvt sich aber immer wieder selbst, wenn sie mit ihrem gut gemeinten Bildungsbürgertum in Arams Leben einzugreifen versucht und ihn als Vorzeigefreund benutzt, um FollowerInnen für ihren Videoblog zu gewinnen: «Er kann doch nichts dafür! Diese Gesellschaft hat ihn so zugerichtet! Er braucht doch erst mal eine Chance, so zu werden wie wir.»

Regisseurin und Autorin Nora Abdel-Maksoud schafft es mit ihrem scharfzüngigen Text, dass man sich im Konflikt dieser verschiedenen Weltanschauungen zunehmend wiedererkennt. Sie haut dem Publikum die eigene Weltoffenheit förmlich um die Ohren. Man spürt zwar nur die Andeutung eines Auswegs, dennoch schluckt man leer, wenn die vier DarstellerInnen mit ihrem fulminanten Spiel zeigen, wie sehr unsere Gesellschaft in Klassen getrennt ist.

«Café Populaire». Zürich, Theater Neumarkt. Nächste Vorstellungen: Do/Fr/Mi, 3./4./9. Mai 2018, jeweils 20 Uhr.