SDA: Sozialplan? Erst mal Dividenden!

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Wie ein Relikt aus einer anderen Zeit wirkt der Satz auf der Website des Eidgenössischen Departements für Wirtschaft, Bildung und Forschung: «Die funktionierende Sozialpartnerschaft ist ein Markenzeichen des schweizerischen Erfolgsmodells.» Das war (vielleicht) einmal so, doch es gilt immer weniger, bei der Schweizerischen Depeschenagentur (SDA) gar nicht mehr. Seit im Winter bekannt wurde, dass die SDA mit der Bildagentur Keystone fusioniert, folgt ein Affront gegen die Angestellten nach dem anderen: Die angekündigte Streichung von 36 Vollzeitstellen, Entlassungsgespräche im Zehnminutentakt und arrogante Aussagen von Geschäftsleiter Markus Schwab provozierten einen Streik, ab Mitte Mai läuft ein Schlichtungsverfahren.

Am Freitag ging es gewohnt arrogant weiter: Der SDA-Verwaltungsrat traf sich in der Berner «Welle 7», ein Securitymann bewachte die Tür in einem Sicherheitsabstand von zwanzig Metern. Es wirkte leicht absurd, als vor der Sperre ein «Tages-Anzeiger»-Redaktor Genaueres zu erfahren versuchte vom Verwaltungsrat, der bisher von Tamedia-Verleger Hans-Heinrich Coninx, neu vom pensionierten Tamedia-Manager Ueli Eckstein präsidiert wird. Die Pressekonferenz der Gewerkschaft Syndicom, die gleich daneben hätte stattfinden sollen, wurde in ein anderes Stockwerk abgeschoben – «aufgrund von Netzwerkproblemen», habe es bei der «Welle 7», die der Migros gehört, geheissen, sagt Syndicom-Vizepräsidentin Stephanie Vonarburg.

So erzählt SDA-Mitarbeiterin Laïna Berclaz halt zwei Stockwerke weiter oben vom enormen Druck, dem sie und ihre KollegInnen ausgesetzt sind – neunzehn haben inzwischen «freiwillig» gekündigt, teils ohne eine Stelle in Aussicht zu haben. Derweil beschliesst der SDA-Verwaltungsrat, über zwölf Millionen Franken an die AktionärInnen auszuschütten – obwohl der Sozialplan für die Entlassenen immer noch nicht steht. Syndicom hat vergebens beantragt, die Dividenden zu halbieren und die andere Hälfte in den Sozialplan und Investitionen zu stecken. «Die Diskussion wurde nicht abgewürgt», sagt Michael Burkard, der für den Berufsverband Impressum an der Generalversammlung teilnahm, «es hatte einfach niemand Interesse.»

Nachtrag vom 5. Juli 2018 : SDA: Keine Partystimmung

«Der Arbeitskampf bei der SDA ist beendet», teilte die SDA letzte Woche in eigener Sache mit. Die SDA-Leitung und die SDA-Redaktion haben eine Einigung unterzeichnet, die aus gewerkschaftlicher Sicht positiv ist. Die Geschäftsleitung hatte im Januar die Streichung von 36 Stellen angekündigt, von der rund 10 MitarbeiterInnen über sechzig Jahre besonders hart getroffen wurden. Die Redaktion reagierte mit einem Warnstreik und danach mit einer viertägigen Arbeitsniederlegung.

Für die älteren MitarbeiterInnen ist die Einigung ein Erfolg. Sie bekommen ein Wiederanstellungsangebot zu gleichen Bedingungen wie vor der Kündigung, und sie profitieren von einem Kündigungsschutz bis zur Pensionierung. Für andere Entlassene oder von Pensenreduktionen Betroffene wurden Verbesserungen im Sozialplan ausgehandelt. Über die Forderung, den Stellenabbau aufzuschieben, bis eine neue Strategie vorliegt, wollten die EigentümerInnen jedoch nicht verhandeln.

Friede, Freude, Eierkuchen mit einem Wermutstropfen? Nein. Zwar hat die Geschäftsleitung mehr Transparenz versprochen, doch die Redaktionskommission weiss bis heute nicht, wie viele Stellen effektiv gestrichen wurden. Auch was die langfristige Strategie angeht, tappen die MitarbeiterInnen im Dunkeln. Sie wissen nicht, in welche Zukunft das nun mit der Multimediaagentur Keystone fusionierte Unternehmen steuern wird. Keystone-SDA, so der neue Name, bleibt eine Blackbox.

Insbesondere die journalistische Unabhängigkeit bleibt ein Dauerbrenner. So werden zum Ärger der JournalistInnen immer noch von Keystone produzierte kommerzielle Videos innerhalb des sogenannten Basisdiensts verbreitet. Unklar ist weiter, ob der Service public von Keystone-SDA erhalten bleibt. «Wir schweben da im luftleeren Raum», sagt ein Redaktor. Ob es zur Aufspaltung von Keystone-SDA in einen förderungswürdigen Service-public-Teil und einen kommerziellen Teil komme, wisse die Redaktion nicht. Darum herrsche auf der Redaktion zwar keine Weltuntergangs-, aber auch «keine Partystimmung». Die RedaktorInnen bleiben misstrauisch – und kampfbereit.

Robert Müller