Vollgeldinitiative: Im Zweifel ein Ja

Nr. 22 –

Die Vollgeldinitiative ist kein Zaubermittel, sie wird die ausser Kontrolle geratenen Finanzmärkte nicht bändigen. Wenn das die InitiantInnen gelegentlich suggerieren, so leisten sie jenen KritikerInnen des Finanzplatzes einen Bärendienst, die viel weiter gehende Forderungen stellen. Die Initiative, über die am 10. Juni abgestimmt wird, ist allenfalls ein kleiner Baustein, um die Macht der Banken einzuschränken. Doch das allein genügt eigentlich schon, um ein Ja einzulegen.

Worum es geht: Die Banken sollen laut der Initiative nicht mehr selber Geld schöpfen, also nicht einfach aus dem Nichts jemandem für einen Kredit einen bestimmten Betrag auf sein Konto überweisen können. Das dürften sie nur noch, wenn es Geld wäre, das ursprünglich von der Schweizerischen Nationalbank (SNB) geschaffen wurde. Diese hätte so viel mehr Kontrolle über die Geldmenge. Die Gelder des Zahlungsverkehrs – zum Beispiel Lohnüberweisungen – dürften die Banken ausserdem nicht für Kredite verwenden. Für die BankkundInnen bedeutet das mehr Selbstbestimmung: Belassen sie ihren Lohn auf dem Zahlungsverkehrskonto, bleibt er unantastbar, transferieren sie ihn hingegen auf ein Sparkonto, erhalten sie einen Zins – da sie damit ein kleines Risiko eingehen, wenn der Betrag verliehen wird.

Allerdings werden die Banken auch bei Annahme der Initiative im grossen Stil Kredite für Finanzspekulationen vergeben; für riskante Immobilien- und Aktienkäufe etwa. Das funktioniert auch mit Geld, das die SNB geschöpft hat. Und über Tochterfirmen im Ausland können die Banken auch weiterhin selber Geld schöpfen. Eine Finanzkrise wie 2008, als der Staat die Grossbank UBS mit Milliarden retten musste, lässt sich so nicht abwenden.

Auch ist es naiv zu meinen, die SNB, die nur unzureichend von der Politik kontrolliert wird, würde mit ihrem Machtgewinn nach der Annahme der Initiative plötzlich eine spekulationshemmende Geldpolitik betreiben. Die SNB «kann Mindesthaltefristen für Finanzanlagen setzen», heisst es im Initiativtext, was viel zu vage ist. Das SNB-Direktorium wird vom Bundesrat gewählt und steht für eine Wirtschaftsordnung, in der möglichst viel dem Spiel von Angebot und Nachfrage überlassen wird.

Linke GegnerInnen der Initiative – der Schweizerische Gewerkschaftsbund und die Sozialdemokratische Partei – argumentieren ähnlich wie die Bürgerlichen: Die Initiative sei zu riskant, da Vollgeld noch nirgends auf der Welt umgesetzt worden sei. Diese Argumentation ist nicht nachvollziehbar. Wenn von einem hochriskanten Experiment die Rede sein muss, dann vom heutigen System mit dem übermächtigen Finanzmarkt. Einmalig ist der Zustand der jetzigen Geldschwemme, der rekordhohen internationalen Verschuldung und der überbordenden Aktien- und Immobilienmärkte. Wenn da mit der Initiative wenigstens eine kleine Hürde aufgebaut würde, wäre das nur positiv.

Der linken Kritik ist in einem anderen Punkt allerdings zuzustimmen: Der Glaube ist abwegig, man könne an einem Schräubchen drehen und schon funktioniere das ganze Gefüge viel besser. Es braucht eine weitaus grössere politische Machtbeschränkung der Banken: Sie müssten etwa weit mehr Eigenkapital zur Deckung möglicher Verluste in den Büchern halten. Zudem bräuchte es verbindliche Vorschriften, die es den Banken verunmöglichen, mit Kreditvergaben weiterhin zur Entstehung von Spekulationsblasen beizutragen.

Und nicht zuletzt müsste den Banken die Möglichkeit genommen werden, mit Krediten Unternehmen zu finanzieren, deren Geschäftsmodell seinerseits zu schweren Krisen beiträgt. Gemeint sind etwa Konzerne der fossilen Industrie, die den Klimawandel befeuern und damit langfristig ein unkalkulierbares Risiko für alle verursachen – oder Unternehmen der Kriegsindustrie.

Dennoch: Angesichts der aktuellen Situation auf den Finanzmärkten kann es nicht schaden, der Vollgeldinitiative zuzustimmen. Und sei es bloss aus taktischen Überlegungen: damit bei der absehbaren Ablehnung an der Urne ein möglichst hoher Ja-Stimmen-Anteil den politischen Willen zur Umgestaltung des Bankensystems manifestiert.